386 Verfassungsurkunde. § 199—200.
ergibt, ist ihrem ganzen Umfange nach nur eine politische oder par-
lamentarische (vgl. S. 92), eine strafrechtliche Folge mittels dis-
ziplinärer Aburteilung durch den Staatsgerichtshof hat ihr die
Verfassungsurkunde nach der ihr auf Grund der Reichsgesetzgebung
zukommenden Auslegung nur insoweit gegeben, als eine Verletzung
der Verfassung im Sinn des 8 195 vorliegt.
2. Die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs wird durch den
Verlust des Amtes oder des Berufes, durch den sie begründet wurde,
nicht aufgehoben.
3. Unter den höheren Beamten der Ständever-
sammlung sind nach der jetzigen Organisation zu verstehen der
Archivar, die beiden Kanzleidirektoren und von den Beamten der
Staatsschuldenkasse der Hauptkassier oder Vorstand, die beiden Kon-
trolleure als Abteilungsvorstände und wohl auch der Kassier (Zins-
kassier).
4. Die Verfassungsurkunde gibt über das Verfahren vor
dem Staatsgerichtshofe nur wenige ungenügende Vorschriften.
Der Entwurf von 1876 hatte die Regelung des Verfahrens einem
besonderen Gesetze vorbehalten. Insolange in dieser Beziehung ge-
setzliche Bestimmungen fehlen, ist der Gerichtshof berechtigt, das
Verfahren nach freiem Ermessen zweckentsprechend zu regeln, wobei
die Bestimmungen des Beamtengesetzes über das Disziplinarver=
fahren (Art. 81—106) Anhaltspunkte geben können. Dem Verfahren
liegt die Anklageform mit Festhaltung des Untersuchungsprinzips
zugrund; aus der Oeffentlichkeit des Verfahrens, die unter keinen
Umständen ausgeschlossen werden kann, folgt auch die Mündlichkeit;
in Ermanglung entgegenstehender Bestimmungen ist von der Frei-
heit der Beweiswürdigung auszugehen, doch haben die Richter ihre
Abstimmungen zu begründen.
§ 200. Untersuchungsverkahren.
Wenn es erforderlich ist, Inquirenten zu bestellen, so wählt
der Gerichtshof dieselben aus den Räten der Kriminalgerichte.
Der Untersuchung hat jedesmal ein königliches und ein
ständisches Mitglied des Gerichthofs anzuwohnen.