Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

Verfassungsurkunde. III. Kapitel. 35 
bindung stehenden Huldigungseids, gibt sodann in §8 21—32, 
36—38 grundlegende Bestimmungen für die staatsbürgerlichen Pflich- 
ten und Rechte, insbesondere die Wehrpflicht, die Freiheit der Per- 
son, die Gewissens= und Denkfreiheit, die Freiheit des Eigentums, 
die Auswanderungsfreiheit und das Beschwerderecht, und befaßt 
sich schließlich in §S§ 39—42 mit den Verhältnissen des ritterschaft- 
lichen Adels. Abgesehen von dem letzten Gegenstand haben die 
Vorschriften des dritten Kapitels durch die Reichsgesetzgebung ein- 
schneidende Aenderungen erfahren hauptsächlich in folgenden Rich- 
tungen: 
1. Das Einzelstaatsbürgerrecht ist von der Reichsgesetzgebung 
zur unerläßlichen Voraussetzung der Reichsangehörigkeit gemacht 
und mit dem Reichsgesetz vom 1. Juni 1870 gleichmäßig für das 
ganze Reich geregelt. Dabei ist namentlich im Unterschied von den 
Bestimmungen der Verfassungsurkunde (8§8 19 und 62) die Staats- 
angehörigkeit von der Gemeindeangehörigkeit losgelöst worden. 
2. Die Einzelstaatsangehörigkeit begründet zugleich die Reichs- 
angehörigkeit und schafft so ein zweifaches Verhältnis mit einem 
zweifachen Kreis von Pflichten und Rechten einerseits gegenüber dem 
Einzelstaat, andrerseits gegenüber der Reichsgewalt; das Staats- 
bürgerrecht hat damit einen reicheren Inhalt gewonnen. 
3. Die Angehörigen der andren deutschen Bundesstaaten sind 
kraft des auf Art. 3 der Reichsverfassung beruhenden Indigenats 
in allen wesentlichen Verhältnissen den württembergischen Staats- 
bürgern gleichgestellt; den Angehörigen der anderen Bundesstaaten 
gegenüber hat daher das württembergische Staatsbürgerrecht den 
größten Teil seiner Bedeutung verloren 7. 
4. Die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten sind in der Haupt- 
sache durch Art. 4 der Reichsverfassung der Beaufsichtigung und 
Gesetzgebung des Reichs unterstellt und haben in der Folge durch 
die Reichsgesetzgebung ihre weitere Entwicklung, nähere Bestimmung 
und gesetzlichen Schutz erhalten; die §§ 21—31 Vll bezeichnen nur 
noch eine Stufe württembergischer Rechtsentwicklung. 
1) Vgl. Bockshammer, Das Indigenat des Art. 3 der deut- 
schen Reichsverfassung, Tübingen 1896. 
  
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