Full text: Die Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg.

36 Verfassungsurkunde. 8 19. 
S 19. Erwerbung des Staatsbürgerrechts. 
Das Staatsbürgerrecht wird teils durch Geburt, wenn bei 
chelich Geborenen der Vater oder bei Unehelichen die Mutter 
das Staatsbürgerrecht hat, teils durch Aufnahme erworben. 
Letztere setzt voraus, dass der Aufzunehmende von einer be- 
stimmten Gemeinde die vorläufige Zusicherung des Bürger- 
oder Beisitzrechts erhalten habe. Ausserdem erfolgt durch 
die Anstellung im Staatsdienste die Aufnahme in das Staats- 
bürgerrecht, jedoch nur auf die Dauer der Dienstzeit. 
1. Die persönliche Zugehörigkeit zum Staate Württemberg wird 
von der Verfassungsurkunde mit dem Ausdruck Staatsbürger- 
recht bezeichnet; sie schließt zugleich nach Reichsrecht die Reichs- 
angehörigkeit in sich, die Vorschriften des § 19 sind beseitigt durch 
das mit dem 1. Januar 1871 in Württemberg in Kraft getretene 
Reichsgesetz vom 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Ver- 
lust der Bundes= und Staatsangehörigkeit, an dem das EinfGes. 
z. BGB. Art. 41 die §8 11, 19, 21 geändert und außerdem einen 
neuen § 14a beigefügt hat. Das Staatsbürgerrecht bedeutet kein 
einzelnes subjektives öffentliches Recht, sondern ein Rechte und Pflich- 
ten begründendes öffentliches Rechtsverhältnis, ein Genossenschafts- 
oder Mitgliedschaftsverhältnis des öffentlichen Rechts, das die Quelle 
zahlreicher einzelner Berechtigungen und Verpflichtungen ist; mit 
Rücksicht hierauf wird es auch Statusrecht oder rechtlicher Zustand 
genannt. In der Staatsangehörigkeit wurzelt die Untertanenpflicht, 
die Pflicht zum verfassungsmäßigen Gehorsam gegen den Staat bei 
Ausübung seiner Hoheitsrechte, sowie die durch das Strafgesetzbuch 
geschützte Pflicht zur Treue, zur Unterlassung aller den Staat schä- 
digenden Handlungen; sie enthält auch die Wehrpflicht und die 
Pflicht zur Uebernahme öffentlicher Ehrenämter. Auf der anderen 
Seite berechtigt die Staatsangehörigkeit zur Anteilnahme an der 
durch den Staat gewährleisteten öffentlichen Rechtsordnung und In- 
teressengemeinschaft, zum Schutze im Inland (Wohnrecht) und im 
Ausland, zur Teilnahme am Verfassungeleben durch die Betätigung 
1) Vgl. Göz, Verwaltungsrechtspflege in Württemberg S. 272;
	        
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