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(No. 1293.) Allerhoͤchste Kabinetsorder vom 25sten Mai 1831., das Armenrecht in den
Rheinprovinzen betreffend.
Ur die Zweifel zu beseitigen, welche die für die Rheinprovinz gegebene Verordnung
vom 160ten Februar 1823. über das Armenrecht veranlaßt hat, und um zugleich
den Mißbräuchen des Armenrechts soviel als möglich zu steuern, ohne dessen
Wohlthätigkeit zu beschränken, bestimme Ich biermit, auf den Bericht des Staats-
Ministerii vom 13ten v. Mts., Folgendes:
1) Wer die Wohlthat des Armenrechts nachsucht, muß dem Gerichte, bei
welchem er den Rechtsstreit anhängig machen will, nicht allein nach Vorschrift
der Verordnung vom 1ten Februar 1823. die Beweise seiner Armuth,
sondern auch alle Urkunden vorlegen und die sonstigen Beweismittel angeben,
welche zur Begründung seines in dem Rechtsstreite geltend zu machenden
Anspruchs dienen können. Diejenigen Inländer, welche außerhalb des
Bereiches des Rheinischen Rechts wohnen und die im §F. 2. der angeführten
Verordnung genannten Beweise wegen Verschiedenheit der Verhältnisse nicht
beibringen können, haben ihre Armuth durch das Zeugniß ihrer Lokalbehörden
zu beweisen.
2) Das Gericht hat außer der Armuth auch das Materielle des Anspruchs zu
prüfen und, der bewiesenen Armuth ungeachtet, die Ertheilung des Armen-
rechts zu verweigern, wenn aus den beigebrachten Beweisstücken der Ungrund
oder die Unzulässigkeit der anzustellenden Klage oder des einzuleitenden
weitern Rechtsmittels hervorgeht.
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Wird das Armenrecht wegen nicht gehörig bescheinigter Armuth verweigert,
so sindet dagegen kein Rekurs und keine Beschwerde statt; doch bleibt es
Jedem unbenommen, den Beweis bei dem nämlichen Gerichte zu ergänzen.
Gegen den Beschluß, welcher wegen der Unhaltbarkeit des geltend zu
machenden Anspruchs das Armenrecht verweigert, ist ein Rekurs an den unmittelbar
höheren Richter zulässig.
4) Gegen die Richter, welche zu dem Erkenntnisse über die Bewilligung oder
Verweigerung des Armenrechts mitgewirkt haben, kann hieraus nie ein
Rekusationsgrund hergeleitet werden.
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Auf die in den früheren Gesetzen vorgeschriebenen Succumbenz-Strafen soll
gegen zum Armenrechte zugelassene Partheien ferner nicht erkannt werden,
und behält es lediglich bei den Bestimmungen des §F. 8. der Verordnung
vom 1ten Februar 1823. sein Bewenden.
(No. 1293 —1294.) Ich