$ 8. Die Rechte der Preußen. 175
Kirchenpatronat „seinem Begriffe nach als der Autonomie
der Religionsgesellschaften widersprechend‘“, doch ist das
verheißene Gesetz noch nicht ergangen. b) Art. 19: „Die
Einführung der Zivilehe erfolgt nach Maßgabe eines be-
sonderen Gesetzes, was auch dıe Führung der Zivilstands-
register regelt.“ Der Wortlaut dieses Artikels ließ der
Gesetzgebung in betreff der Wahl zwischen obligatorischer
oder fakultativer Zivilehe freie Hand; doch scheiterten
1859—60 die Versuche einer Einführung der fakultativen
Zivilehe am Widerstand des Herrenhauses. Erst das Ge-
setz vom 5. März 1874 brachte die obligatorische Zivilehe
für die Monarchie und das Reichspersonenstandsgesetz
vom 6. Februar 1875 für das ganze Deutsche Reich. Jetzt
gilt B.G.B. $ 1317.
13. Anspruch auf „Unterrichtsfreiheit“* (V.K. d.
N.V.). Gegenstand dieses Grundrechts sind eigent-
lich nur Art. 20: „die Wissenschaft und ihre Lehre ist
frei“ und Art. 22: „Unterricht zu erteilen und Unter-
richtsanstalten zu gründen und zu leiten, steht jedem
frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und
technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden
nachgewiesen hat.“ Die Wissenschaft kommt sowohl
als forschende wie als lehrende, vorgetragene in Be-
tracht. In ersterer Eigenschaft ist die Freiheit der
„in konsequenter Untersuchung ihren eigenen Weg“
wandelnden Wissenschaft namentlich für einen Rechts-
staat ein selbstverständliches Axiom, das „nicht weiter
durch die Gesetzgebung garantiert werden kann“.
Daher ruht das Schwergewicht des Art. 20 in der
Garantierung der Freiheit der lehrenden Wissenschaft;
sie soll „fernerhin keine anderen Schranken kennen
als ihre eigene Wahrheit, und insofern sie dieselben
verkannte und überschritte, die Heiligkeit des Straf-
gesetzes“. Eine derartige Schrankensetzung vor-
zunehmen, wurde eventuell als Aufgabe des allgemeinen
Unterrichtsgesetzes (Art. 26) angesehen. So aufgefaßt,
bezog man den Art. 20 schon in den Revisinnskammern
wesentlich auf die Universitäten.