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Inhaberpapiere. 367 
Die Verschreibung auf den Inhaber kann die verschiedenartigsten Rechtsverhält— 
nisse erfassen. Gleichwie ein Recht sich derart an Grund und Boden knüpfen läßt, 
daß es dem jeweiligen Besitzer eines bestimmten Grundstücks zusteht, so können Rechte 
vielfach derart konstituirt werden, daß der jeweilige Inhaber einer Urkunde zur 
Geltendmachung des Rechtes befugt sein soll. Als solche Rechte erscheinen Mit- 
gliedsrechte einer Korporation, wofür die Stammaktie auf den Inhaber als Beispiel 
dienen mag, das Pfandrecht bei den älteren landschaftlichen Pfandbriefen, das Renten- 
recht bei Rentenbriefen auf den Inhaber, das Recht auf Grundschuldzinsen bei den 
Zinsquittungsscheinen der Preußischen Grundschuldbriefe. Die umfangreichste Klasse 
der J. sind die obligatorischen J., welche entweder die Form der Anweisung oder 
des Verpflichtungsscheines haben können. Sie enthalten den Auftrag oder das Ver- 
sprechen des Ausstellers einer persona incerta, nämlich dem Präsentanten des fälligen 
Papiers zu leisten. Der Präfentant wird im Verhältniß zum Schuldner als Gläubiger 
behandelt. Das obligatorische J. enthält ein gültiges abstraktes Schuldversprechen, 
wenn der Schuldgrund, die causa promittendi, darin nicht angegeben ist. Es kann 
aber auch ein individualisirtes Schuldversprechen in sich aufnehmen, das heißt ein 
solches, welches den Schuldgrund nennt und rechtlich an denselben gebunden ist, wie 
dies bei den Zinskupons, bei den Dividendenscheinen der Fall ist. Die Leistungen, 
welche durch ein obligatorisches J. versprochen werden, sind mannigfaltiger Art. 
Im Allgemeinen läßt sich unterscheiden zwischen Geldpapieren, welche die Zahlung 
einer Geldfumme und solchen J., welche irgend eine andere Leistung zum Gegenstande 
haben. Unter den Geldpapieren sind beispielsweise hervorzuheben: 1) Einzel- 
papiere, Schuldscheine und Anweisungen, welche durch vereinzelte Ausstellung, nicht 
durch Massenkreation erzeugt werden. Sie sind im Handelsverkehr fast vollständig 
durch das Orderpapier (Wechsel, kaufmännische Anweisungen und Verpflichtungs- 
scheine) verdrängt worden. 2) Antheilscheine, Partialobligationen, Prioritäts- 
obligationen, wie sie vom Staate, von Gemeinden, von Aktiengesellschaften oder von 
Einzelnen zur Aufnahme umfassender Anlehen emittirt zu werden pflegen. 3) Zins- 
scheine, Zinsabschnitte, Kupons. 4) Dividendenscheine. 5) Banknoten, unverzins- 
liche und nicht amortisirbare J. 6) Bankanweisungen oder Checks, Anweisungen auf 
das Guthaben des Ausstellers bei dem die Zahlungen desselben besorgenden Bank- 
haus oder Geldinstitut. J. ohne Inhaberklausel, sondern in OQuittungsform sind 
die sog. weißen Checks der Deutschen Reichsbank. 7) Prämienscheine, Obligationen 
von Lotterieanlehen. 8) Promessen. 9) Lotterieloose. 10) Sog. Pfandbriefe neueren 
Stils. 11) Bodmereibriefe. Eine zweite Gruppe von obligatorischen J. bilden die 
Billets und Marken des täglichen Transport= und Gesellschaftsverkehrs, Passagier- 
karten (Eisenbahn-, Dampfschiffahrbillets u. dgl.), Eintrittskarten (Theater-, Konzert-, 
Ausstellungsbillets, Speise-, Bademarken) und Anweisungen auf ähnliche Leistungen. 
Der Kreis der J. ist mit den angeführten Beispielen nicht erschöpft. Die Neu- 
bildungen des Verkehrs trotzen der Schematisirung. Namentlich läßt sich im Ge- 
schäftsleben die Tendenz nicht verkennen, bloße Legitimationspapiere als J. zu 
behandeln. 
Bestritten ist es, ob jeder Einzelne ohne Weiteres die Befugniß habe, J. in 
rechtlich wirksamer Weise auszugeben oder ob hierzu die Autorisation der öffentlichen 
Gewalt erforderlich sei. Gemeinrechtlich gilt das Erforderniß der Staatsgenehmigung 
nicht (Entsch, des RO. XVII. 150). Doch bestehen für bestimmte Papiere reichs- 
gesetzliche Beschränkungen. Die Ausgabe von J. mit Prämien ist durch das Reichs- 
gesetz vom 8. Juni 1871, die Ausgabe von Banknoten und anderen unverzinslichen 
Schuldverschreibungen auf den Inhaber durch das Bankgesetz beschränkt worden. 
Aktienkommanditgesellschaften dürfen Inhaberaktien gar nicht, Aktiengesellschaften nur 
inter gewissen Voraussetzungen ausgeben, welche für Namenaktien nicht statuirt sind. 
Inhaberwechsel sind in Deutschland unzulässig, Konnossemente auf den Inhaber nicht 
iblich. Zahlreiche Partikularrechte binden die Emission von Geldpapieren oder von