Die Reichsfinanzen. 263
Während Verwaltungsschulden in der regelmäßigen Ver—
waltungstätigkeit zum Zweck der Erfüllung staatlicher Aufgaben ohne
weiteres kontrahiert werden, bedarf es für die Finanzschulden
einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung.
Art. 73 V. U.: „In Fällen außerordentlichen Bedürfnisses
kann im Wege der Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe
zu Lasten des Reiches erfolgen.“
Bundesrat und Reichstag ermächtigen also den Kaiser, dieser
erteilt dem Reichskanzler Vollmacht mittels Erlasses.
Die Aufnahme von Anleihen erfolgt durch Ausgabe von
Inhaberpapieren. Derartige Schuldverschreibungen des Reichs können
gemäß Gesetz vom 31. Mai 1891 in Buchschulden des Reichs, auf
den Namen des bestimmten Gläubigers lautend, umgewandelt werden.
Das Schuldverhältnis des Reichs zu seinen Gläubigern ist bei
diesen Finanzschulden ein rein privatrechtliches.
Bei den Verwaltungsschulden, die zum Teil, wie z. B.
Pensionen, unmittelbar auf Gesetz beruhen, zeigen sich auch öffentlich-
rechtliche Momente.
Der Art. 73 erwähnt auch noch die Uebernahme von
Garantien seitens des Reichs als Finanzschulden, die einer
gesetzlichen Ermächtigung bedürfen.
So hat das Reich 1886 mit Oesterreich, England, Rußland,
Frankreich eine solidarische Bürgschaft für 9 Millionen Pfund
Aegyptischer Anleihe übernommen.
Die Rechtsvorschriften über die Reichsanleihen sind geregelt
durch die Reichsschuldenordnung vom 19. März 1900.
Die Verwaltung der Reichsschulden ist der Preußischen Haupt-
verwaltung der Staatsschulden (als Reichsschuldenverwaltung)
übertragen.
Die obere Leitung hat der Kanzler (Reichsschatzamt).
Die Aufsicht über die Reichsschuldenverwaltung liegt der
Reichsschuldenkommission ob.
Ausgaben und Einnahmen des Reichs.
Sowohl Reichsausgaben wie Reichseinnahmen sind entweder
ordentliche oder außerordentliche.
Die ordentlichen sind die periodisch wiederkehrenden, die außer-
ordentlichen Ausgaben werden durch besondere Bedürfnisse hervor-
gerufen; die außerordentlichen Einnahmen ergeben sich z. B. aus
einer Anleihe.