Full text: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten. 1852. (43)

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In Untersuchungen wegen Uebertretungen bedarf es der Zuziehung eines 
Dolmetschers nicht, wenn der Richter oder der Gerichtsschreiber der fremden 
Sprache mächtig ist. 
Artikel 28. 
Das Gericht kann den Angeklagten im Laufe der Verhandlung bei der 
Vernehmung — Zeugen oder erwaiger Mitangeklagten einstweilen aus 
dem Sitzungssaale abtreten lassen; es muß aber die Vernehmung, und zwar 
die der Zeugen vor ihrer Vereidung, in Gegenwart des Angeklagken wieder- 
holt werden. 
Artikel 29. 
Kein erheblicher Umstand und kein Beweismittel darf blos aus dem 
Grunde unberücksichtigt bleiben, weil dem Angeklagten oder der Staatsanwalt= 
schaft davon nicht vor der Verhandlung oder nicht frühzeitig genug Kenntniß 
gegeben sei; vorbehalklich der Befugniß des Gerichts, eine Vertagung zu ver- 
ordnen, wenn dieselbe zur besseren Vorbereitung der Bertheidigung oder der 
Ueberfährung als nothwendig erscheint. 
Artikel 30. 
Gegenstand der Hauptverhandlung und Emscheidung sind nicht blos die 
Thatsachen, welche in der Anklage enchn- sind, sondern auch die näheren Um- 
stände, von welchen dieselben begleitet waren, und zwar selbst dann, wenn see, 
verbunden oder vereinzelt, von einem Gesichtspunkte aus als strafbar erscheinen, 
unter welchen sie die Anklage nicht gebracht hat. Fälle, wo die That sich als 
eine Gesetzesverletzung einer anderen, selbst schwereren Gattung darstellt, sind 
nicht ausgeschlossen. 
Das Gericht hat jedoch, wenn es mit Rücksicht auf die verdnderte Sach- 
lage eine bessere Vorbereitung der Anklage oder der Vertheidigung nothwendig 
findet, auf den Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten eine Ver- 
tagung anzuordnen, oder geeignetenfalls die betreffenden Anschuldigungspunkte 
einem neuen Verfahren vorzubehalken. 
Artikel 31. 
Das Urtheil mutz hervorheben, welche derjenigen Thatsachen, die zu den 
wesentlichen Merkmalen der den Gegenstand der Emscheidung bildenden straf- 
baren Handlung gehören, für erwiesen, oder für nicht erwiesen zu erachten 
seien. Dieses gilt insbesondere auch von solchen Umständen, welche nach Vor- 
schrift des Gesetzes die Strafe ausschließen, mildern oder erschweren, wenn ein 
Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklageen die Berücksichtigung der- 
selben verlangt hat. 
Die Thatsachen und Beweismittel, auf Grund deren jener Beweis als 
geführt oder als nicht geführt angenommen worden ist, sind in den Entschei- 
dungsgründen anzugeben. . 
(N. 35 Ar-
	        
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