Contents: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

  
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Franz Dochow, Gesundheitspolizei. 
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Die reichsrechtliche Grundlage für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten bildet das 
Gesetz vom 30. Juni 1900, das durch zahlreiche reichs- und landesrechtliche Gesetze und Verord- 
nungen ausgeführt und erweitert ıst.°) 
Das Reichsgesetz sieht eine Anzeıgepflicht vor für jede Erkrankung und jeden Todes- 
fall an Aussatz (Lepra), Cholera (asiatische), Fleckfieber (Flecktyphus), Gelbfieber, Pest (orienta- 
lischer Beulenpest), Pocken (Blattern). Ausserdem muss jeder verdächtige Fall unverzüglich ange- 
zeigt werden. Der Bundesrat kann die Anzeigepflicht auf andere Krankheiten ausdehnen, dasselbe 
können und haben die deutschen Einzelstaaten getan. So verlangen z. B. alle Staaten die Anzeige 
von Diphtheriefällen, einzelne dıe von Masern-, Lungentuberkulose-, Kindbettfieberfällen usw.®) 
Die ErmittlungderKrankheiıterfolgt durch den beamteten Arzt. Es kann auch 
angeordnet werden, dass alle Leichen vor der Bestattung einer amtlichen Besichtigung unterworfen 
werden. Die zu ergreifenden Schutzmassregeln bestehen vorwiegend in einer mehr oder 
weniger weitgehenden Beschränkung des Verkehrs (z. B. Einschränkung der Freizügigkeit, Beob- 
achtung oder Absonderung kranker oder ansteckungsverdächtiger Personen, Beschränkung der 
Wassernutzung, Einschränkung des Schulunterrichts, Anordnung von Desinfektionen usw.). Eine 
besondere Stellung nehmen die Geschlechtskrankheiten ein. Eine Anzeigepflicht besteht nicht, 
dagegen kann ein Behandlungszwang eintreten.”) 
II. Impfung. 1. Geltendes Recht. Das Impfgesetz für das Deutsche Reich vom 
8. Aprıl 1874 schreibt vor, dass der Impfung?) mit Schutzpocken unterzogen werden soll jedes Kind 
vor dem Ablauf des auf sein Geburtsjahr folgenden Kalenderjahres, sofern es nicht nach ärztlichem 
Zeugnis die natürlichen Blattern überstanden hat, ferner jeder Zögling einer öffentlichen Lehran- 
stalt oder einer Privatschule, innerhalb des Jahres, in dem er das zwölfte Lebensjahr zurücklegt, 
sofern er nicht nach ärztlichem Zeugnis in den letzten fünf Jahren die natürlichen Blattern über- 
standen hat oder mit Erfolg geimpft worden ist. Der zuständige Impfarzt entscheidet endgültig 
darüber, ob der Impfpflichtige ohne Gefahr für sein Leben oder für seine Gesundheit geimpft werden 
kann. Blieb eine Impfung erfolglos, so muss sie spätestens im nächsten Jahre, und fa.ls sie auch 
dann erfolglos blieb, im dritten Jahre wiederholt werden. Jeder Impfling muss frühestens am sechsten, 
spätestens am achten Tage nach der Impfung dem impfenden Arzte vorgestellt werden. Über jede 
Impfung wird vom Arzte ein Impfschein ausgestellt, worin bescheinigt wird, dass durch die Impfung 
der gesetzlichen Pflicht genügt ist oder dass die Impfung ım nächsten Jahre wiederholt werden muss. 
Ist die Impfung nicht erfolgt, so muss durch ärztliches Zeugnis bescheinigt werden, aus welchem 
Grunde und auf wie lange Zeit sie unterbleiben darf. Eltern, Pflegeeltern und Vormünder haben den 
Nachweis zu führen, dass die Impfung ihrer Kinder und Pilegebefohlenen erfolgt oder aus einem ge- 
setzlichen Grunde unterblieben ist. Die Vorsteher der Schulanstalten, deren Zöglinge dem Impf- 
zwang unterliegen, haben dafür zu sorgen, dass die gesetzliche Impfung rechtzeitig erfolgt. Bestraft 
werden die Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, welche den ıhnen obliegenden Nachweis nicht 
führen, mit einer Geldstrafe bis zu zwanzig Mark, wenn ihre Kinder und Pflegebefohlenen ohne ge- 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
6) Kirchner, Die gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer 
Berücksichtigung Preussens. 1907; Joachim Korn, Deutsches Ärzterecht (1911) 1, 154. — Übersicht über die 
Materialien und Literatur bei Galli in Stengleins Nebengesetzen * (1911) 1, 672; Laband, Staatsrecht ? 3, 254; 
Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht * $ 41 S. 182. 
6) Vgl. Kirchner, Seuchenbekämpfung S. 36 (Tabelle); Meyer-Dochow * $ 41 S. 183. 
7) Mever-Dochow ? $ 38 S. 175. Vgl. auch die vorstehenden Ausführungen von v. Lilienthal über 
Sittlichkeitspolizei. — Preuss. G. vom 28. August 1905 $ 9. 
8) Auf die Frage: Worin besteht das Wesen der Impfung? antwortet ©. Fränkel, Art. Impfung und Impf- 
recht, Handwörterb. d. Staatsw. ? 5, 584: Wir können diese lange umstrittene Frage heute mit Bestimmtheit dahin 
beantworten, dass der höchst wahrscheinlich durch einen niederen tierischen Schmarotzer gebildete In- 
fektionsstoff der echten Pocken bei der absichtlichen oder unabsichtlichen Übertragung auf den zwar empfäng- 
lichen, aber doch weniger geeigneten Körper des Tieres, des Rindes, eine sog. Abschwächung erfährt, und dass 
das in seiner ursprünglichen Kraft geschädigte Material nun bei neuen Individuen doch noch ebenso einen I m pf- 
schutz, eine Immunität erzeugt, wie dies Pasteur später beim Schweinerotlauf, beim Milzbrand usw. in un- 
widerleglicher Weise zu zeigen vermocht hat. 
  
  
  
 
	        
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