112 Zweiter Teil: Organisation des Bundes.
3. Kapitel.
Der Erwerb der Mitgliedschaft im Reichstag.
Die Mitgliedschaft wird erworben:
durch Wahl zum Reichstagsabgeordneten (Reichs-Verfassung Art. 20);
durch Annahme der Wahl seitens des Gewählten oder durch einen
Bevollmächtigten (§ 33 des Wahlreglements 1869, S. 322, Sten. Bericht
1867 I, S. 40):
durch Gültigkeitserklärung der Wahl seitens des Reichstages (Reichs-
Verfassung Art. 27, Sten. Bericht 1867 I, S. 78).
Diese drei Voraussetzungen des Mitgliedschaftsrechtes müssen
sämtlich vorhanden sein; die eine ohne die anderen genügt nicht. Eine
andere Erwerbsart giebt es hiefür nicht.
4. Kapitel.
Die Wahlen zum Reichstag.
Das Reichstagswahlgesetz vom 31. Mai 1869.
(Bundesgesetzblatt 1869, S. 145.)
Dasselbe gilt im ganzen Reiche inklusive Elsaß-Lothringen und
Helgoland (Gesetz vom 27. Februar 1873, S. 35, 25. Juni 1873 § 6, S. 161,
1. Dezember 1873, S. 374 und vom 15. März 1890 § 4, S. 207) und lautet:
§ 1. Wähler für den Reichstag des Deutschen Reiches ist jeder
Deutsche, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt dem Bundesstaate, wo#
er seinen Wohnsitz hat (Komm.-Ber. des Reichstags 1879, S. 1347).
§ 2. Für die zum aktiven Heere gehörigen Militärpersonen, mit
Ausnahme der Militärbeamten, ruht die Berechtigung zum Wählen (aber
nicht das Wählbarkeitsrecht) sowohl in Betreff der Reichsvertretung, als
in Betreff der einzelnen Landesvertretungen. Eine Vereinigung der hier-
nach wahlberechtigt bleibenden Militärpersonen zu besonderen Militär-
Wahlbezirken für die Wahl der auf indirektem Wahlrecht beruhenden
Landesvertretungen darf nicht stattfinden (Gesetz vom 2. Mai 1874, § 49
Abs. 1, S. 45, Sten. Bericht 1869, S. 161).
§ 3. Von der Berechtigung zum Wählen (Sten. Bericht 1867 1, S. 427)
sind ausgeschlossen:
1) Personen, welche unter Vormundschaft oder Kuratel stehen (8 6,
910 und 1896 bis 1908 des Bürg. Ges.-Buches);
2) Personen, über deren Vermögen Konkurs= oder Fallitzustand gericht-
lich eröffnet worden ist und zwar während der Dauer dieses Konkurs-
oder Fallit-Verfahrens (§ 283 Str.-G.-B);
3) Personen, welche eine Armenunterstützung aus öffentlichen oder
Gemeindemitteln beziehen, oder im letzten der Wahl vorhergegangenen
Jahre bezogen haben (S. Reichstagsverhandlung vom 25. April 1874,
Sten. Bericht S. 1162; 1874 S. 276, 477 und 578) darunter ist auch
bloße Beihilfe in Geld, Brennmaterialien, unentgeltliche Wohnung 2c.
zu verstehen;