Die österreichischungarische Monarchie. (März Ende—April 12.) 195
diesem Sachverhalt ergibt sich von selbst, daß den diesmaligen Verhand-
lungen nur ein vorbereitender Charakter zukommen konnte, und daß auch
ein sicheres Horoskop für die Zukunft heute noch nicht gestellt werden
kann. Fest steht nur, daß in der Hauptfrage Oesterreich einen Vorschlag
gemacht hat, von dem es nach wie vor glaubt, daß er allein zu einem
befriedigenden Gesamtresultate führen kann. Es ist auch tatsächlich in den
bisherigen Verhandlungen auf keinen anderen Weg hingewiesen worden,
der eine Ausgleichung der Gegensätze ermöglichen würde. Vielleicht wären
auch die Schwierigkeiten auf diesem Gebiete nie so groß geworden, wenn
auf ungarischer Seite nicht irrige Anschauungen über den Ursprung und
die Bedeutung der Befristungsfrage sich geltend gemacht hätten."
März. (Cisleithanien.) Die Landtage von Oberösterreich,
Salzburg, Vorarlberg, Mähren, Schlesien beschließen die allgemeine
Wahlpflicht für die Reichsratswahlen.
Ende März. (Siebenbürgen.) Rumänen und Sachsen
protestieren gegen die Volksschulvorlage. Eine Adresse an den
König wird vorbereitet.
10. April. (Ungarn.) Der „Pester Lloyd“ weist auf aus-
greifende Balkanprojekte Italiens hin und tadelt die österreichisch-
ungarische Regierung, daß sie die italienischen Intriguen nicht
durchkreuze.
12. April. (Ungarn.) Im Abgeordnetenhause erwidert
Ministerpräsident Wekerle auf eine Interpellation über die make-
donische Frage und das Mürzsteger Abkommen (1903 S. 220):
Die Wirkungen dieses Uebereinkommens sind in jeder Hinsicht
ersprießliche. Der Zweck desselben ist bekanntlich, die Sicherheitszustände
zu verbessern, Mißstände bei der Steuererhebung zu beseitigen, ferner Re-
sormen bezüglich der Agrarverhältnisse und der Rechtspflege einzuführen.
In allen diesen Beziehungen kann ein erheblicher Fortschritt gegenüber
den früheren Zuständen festgestellt werden. Da durch die Reformaktion
bestimmt wurde, daß die Einkünfte der makedonischen Wilajets künftighin
für deren Zwecke verwendet werden sollen, wurde auf Wunsch der Pforte
zur Entschädigung für den Einnahmeausfall eine dreiprozentige Erhöhung
der Zölle für sieben Jahre bewilligt. Dieser Maßregel hat England, das
bisher gezögert hat, nun zugestimmt. Eine hierauf bezügliche Abänderung
der Handelsverträge mit der Türkei, werde ich dem Hause vorlegen. Was
die von Polit erwähnten Bandenumtriebe betrifft, so sind die Meldungen
der Zeitungen vielfach übertrieben. Es ist eine entschiedene Besserung in
diesen Verhältnissen festzustellen. Bulgarien hat die Zusage gegeben.
Golit ruft dazwischen: Scheinbar!) Der Ministerpräsident fährt fort:
Nicht scheinbar! Bulgarien hat die bestimmte Zusicherung gegeben, alles
aufzubieten, daß die einzelnen bulgarischen Banden aus dem Innern des
Landes keinen Zuzug erhalten. Der Minister des Aeußern Frhr v. Aehren-
thal hat im Einvernehmen mit Rußland und mit Unterstützung der anderen
Mächte an Serbien und Griechenland eine Note gerichtet, damit diese ebenso
wie Bulgarien bezüglich der Banden eine Zusicherung leisten. Die Politik
der Monarchie sei auf Erhaltung des status quo auf dem Balkan und
der Integrität der Türkei gerichtet; es sei bekannt, daß die Monarchie
eine Politik, die auf eine Aufteilung Makedoniens gerichtet ist, nicht unter-
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