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J.
Ucber die vorlöänfige Entosunz der Strasgefangenen.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der iautigen Entlassung macht es keinen Unter-
schied, ob die Strafe vor oder nach dem 1. I 1871 erkannt worden ist.
8.
Die vorläufige Entlassung kann von Sln Gefangenen niemals als ein Recht in
Anspruch genommen werden. Sie hat vielmehr den Charakler einer Vergünstigung,
welche von der betreffenden Anstaliepenalus nur daun zu befürworten ist, wenn bei
ihr die Ueberzengung besteht, daß der Gefangene sich gebessert habe und die ihm durch
die vorläufige Entlassung gebotene Gelegenheit zum Wiederbeginn eines ehrenhaften und
Ceseblichen Lebenowandels nicht mißbrauchen werde.
8. 8.
Der Gefangene, welchem hiernach die vorläuflge Entlassung zu Theil werden soll,
muß sich wãhrend der vorangegangenen Haft der Anstaltsordnung entsprechend betragen
und zugleich in seinem Gesammtverhalten denjenigen Ernst an den Ta haben,
welcher als eine Gewähr dafür angesehen werden kann, dah er den bei der Entlassung
gehegten Erwartungen entsprechen werde.
Auf den Umstand allein, daß der Gefangene zu diseiplinarischen Rügen keine
Veranlassung gegeben hat, darf der Entlassungsantrag niemals gegründet werden.
Andererseits werden vereinzelte leichtere Verstöhße gegen die Hausordnung, falls dieselben
nicht auf üblen Willen zurückzuführen sind, bei sonst zufriedenstellendem Gesammtverhal-
ten den Antrag nicht unbedingt ausschließen dürfen.
Außer der Führung deo Gesangenen nährend der Dauer der Haft sind die
Lebensverhältnisse in Betracht zu ziehen, denen derselbe nach der Entlassung entgegen
Insbesondere ist zu prüfen, ob und in welcher Art der Gefangene an dem
Orte, an welchem er nach seiner Entlassung seinen Aufenthalt zu mehmen beabsichtigt,
Unterlonmen und Gelegenheit zu ehrlichem Erwerbe zu finden Aussicht hat.
Die Strafanstaltsverwaltung ist verpflichtet, in dieser Beziehung soweit nöthig,
eine spezielle Erörterung eintreten zu lassen, insbesondere auch zu diesem Zweck mit den
bekreffenden Polizei= und Gemeindebehörden, sowie unter Umständen mit achtbaren und
urtheilsfähigen Privatpersonen sich in Verbindung zu setzen.
k4. 0.
Der Antrag der Strafanstaltsverwaltung auf vorläufige Entlassung eines Straf-
gefangenen ist an das Kreiögericht zu nicht und nach Maßgabe der I#. 2 und 4
dieser Verordnnng eingehend zu motivire
Dem Antrage sind die Possonalalt des Sträflings und eine motivirte Erklärung
der Conferenz des Anslaltsbeamten, oder insofern eine derartige Einrichtung nicht besteht,
des Anslaltsgeistlichen und nach Lage der Sache des Anstaltsarztes beizufügen.