Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiter Jahrgang. 1861. (2)

46 
Deutschland — Preußen. 
bungen thatsächliche Resultate zu gewinnen. Die Presse und 
die Programme der bisherigen ministeriellen Mehrheit im Hause 
der Abgeordneten stimmen uns in den wesentlichsten Fragen zu. Nur 
pflegen sie zu erinnern, daß man die Abgeordneten nicht zu sehr binden, 
nicht zu Vieles betreiben, nicht zu sehr eilen und drängen dürfe; nur 
wollen sie keinen Tadel ihrer Wege und Erfolge in den letzten Sitzungs- 
perioden dulden. Auch wir verkennen nicht, daß manches Rützliche geschehen 
ist... Aber wir halten ein energischeres Vorgehen auf der 1858 
betretenen Bahn, die Beseitigung widerstrebender Elemente in der Ver- 
waltung und die Herbeiführung der unentbehrlichen Uebereinstimmung 
zwischen der Regierung und ihren Organen für unerläßlich. Wir meinen, 
daß überhaupt eine den bestehenden Gesetzen entsprechende Verwaltung allein 
in dem drängenden Ernst der europäischen Verhältnisse nicht genügt daß 
eine entschlossene Beseitigung der retrograden Gesetze, deren Erlaß die 
Führer der konstitutionellen Partei einst vergeblich bekämpft haben, und 
durchgreifende Reformen nothwendig sind, um die materiellen, geistigen 
und moralischen Kräfte derartig zu heben und zu entwickeln, daß wir mit 
Vertrauen in die Zukunft blicken und hoffen dürfen, auch das Vertrauen 
Deutschlands zu gewinnen zu dem großen Ziele, daß ein festes politisches 
Band die kleineren Staaten in militärischer, diplomatischer und handels- 
politischer Beziehung mit Preußen verbinde. Wir beabsichtigen keineswegs 
eine prinzipielle Opposition gegen die gegenwärtige Regierung. Aber 
wir müssen daran festhalten, daß in den letzten drei Jahren nicht genug 
geschehen ist, um die als nothwendig erkannten Reformen in das Leben 
zu führen, daß der Ruf des Maßhaltens und Nichtdrängens, welcher bei 
den letzten Wahlen maßgebend war, allzu lange und allzu ausschließlich 
befolgt worden ist, daß man allzu oft die Zwecke gewollt, aber die Mittel 
nicht ergriffen hat. Wir meinen, daß daß neue Haus der Abgeordneten 
eine entschlossenere Initiative ergreifen und von seinen verfassungs- 
mäßigen Rechten einen entschiedeneren Gebrauch machen muß, um neben 
einer starken Regierung ein selbstthätiges und kraftvolles öffentliches Leben, 
neben der Ordnung eine fortschreitende Entwickelung zu sichern. Wir halten 
vor allen Dingen, und wenn irgend welche Erfolge erzielt werden sollen, 
eine Umgestaltung des Herrenhauses auf verfassungsmäßigem Wege für so 
dringend erforderlich, daß wir sofortige Schritte dazu jedem unserer Ver- 
treter zur ersten Pflicht machen müssen. Wir hoffen, das preußische Volk. 
wird durch seine Wahlen diesen Anschauungen einen unzweideutigen Aus- 
druck geben. 
8. Okt. Besuch des Königs bei Kaiser Napoleon in Compiègne. 
10.10. 
Circular des Ministers des Innern, Grafen Schwerin, über die 
Stellung der Regierung zu den bevorstehenden Landtagswahlen: 
„Das Bestreben der gegenwärtigen Regierung ist überall darauf gerichtet, 
die Macht und das Recht der Krone in ungeschwächter Geltung und un- 
geschmälertem Ansehen zu erhalten, sie ist bemüht, im Einklange mit den 
wiederholt ausgesprochenen Allerhöchsten Intentionen, auf dem Boden der 
Verfassung fest beharrend, in der Gesetzgebung durch besonnene Refor- 
men den praktischen Bedürfnissen des Landes entgegenzukommen, in der 
Verwaltung Recht und Gesetz mit Unparteilichkeit zu handhaben, und auf 
allen Gebieten des öffentlichen Lebens der freien und ungehemmten Entwi- 
ckelung der geistigen und wirthschaftlichen Kräfte des Volkes Raum zu gön- 
nen. Sie hält sich zu der Annahme berechtigt, daß in der Leitung der 
öffentlichen Angelegenheiten die Meinung des Landes ihr zur Seite sieht. 
Die Staatsregierung glaubt aber nicht, daß ein ihren Erwartungen äußer- 
lich entsprechendes Resultat der Wahlen auch dann einen Werth besitzt,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.