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Deutschland — Preußen.
bungen thatsächliche Resultate zu gewinnen. Die Presse und
die Programme der bisherigen ministeriellen Mehrheit im Hause
der Abgeordneten stimmen uns in den wesentlichsten Fragen zu. Nur
pflegen sie zu erinnern, daß man die Abgeordneten nicht zu sehr binden,
nicht zu Vieles betreiben, nicht zu sehr eilen und drängen dürfe; nur
wollen sie keinen Tadel ihrer Wege und Erfolge in den letzten Sitzungs-
perioden dulden. Auch wir verkennen nicht, daß manches Rützliche geschehen
ist... Aber wir halten ein energischeres Vorgehen auf der 1858
betretenen Bahn, die Beseitigung widerstrebender Elemente in der Ver-
waltung und die Herbeiführung der unentbehrlichen Uebereinstimmung
zwischen der Regierung und ihren Organen für unerläßlich. Wir meinen,
daß überhaupt eine den bestehenden Gesetzen entsprechende Verwaltung allein
in dem drängenden Ernst der europäischen Verhältnisse nicht genügt daß
eine entschlossene Beseitigung der retrograden Gesetze, deren Erlaß die
Führer der konstitutionellen Partei einst vergeblich bekämpft haben, und
durchgreifende Reformen nothwendig sind, um die materiellen, geistigen
und moralischen Kräfte derartig zu heben und zu entwickeln, daß wir mit
Vertrauen in die Zukunft blicken und hoffen dürfen, auch das Vertrauen
Deutschlands zu gewinnen zu dem großen Ziele, daß ein festes politisches
Band die kleineren Staaten in militärischer, diplomatischer und handels-
politischer Beziehung mit Preußen verbinde. Wir beabsichtigen keineswegs
eine prinzipielle Opposition gegen die gegenwärtige Regierung. Aber
wir müssen daran festhalten, daß in den letzten drei Jahren nicht genug
geschehen ist, um die als nothwendig erkannten Reformen in das Leben
zu führen, daß der Ruf des Maßhaltens und Nichtdrängens, welcher bei
den letzten Wahlen maßgebend war, allzu lange und allzu ausschließlich
befolgt worden ist, daß man allzu oft die Zwecke gewollt, aber die Mittel
nicht ergriffen hat. Wir meinen, daß daß neue Haus der Abgeordneten
eine entschlossenere Initiative ergreifen und von seinen verfassungs-
mäßigen Rechten einen entschiedeneren Gebrauch machen muß, um neben
einer starken Regierung ein selbstthätiges und kraftvolles öffentliches Leben,
neben der Ordnung eine fortschreitende Entwickelung zu sichern. Wir halten
vor allen Dingen, und wenn irgend welche Erfolge erzielt werden sollen,
eine Umgestaltung des Herrenhauses auf verfassungsmäßigem Wege für so
dringend erforderlich, daß wir sofortige Schritte dazu jedem unserer Ver-
treter zur ersten Pflicht machen müssen. Wir hoffen, das preußische Volk.
wird durch seine Wahlen diesen Anschauungen einen unzweideutigen Aus-
druck geben.
8. Okt. Besuch des Königs bei Kaiser Napoleon in Compiègne.
10.10.
Circular des Ministers des Innern, Grafen Schwerin, über die
Stellung der Regierung zu den bevorstehenden Landtagswahlen:
„Das Bestreben der gegenwärtigen Regierung ist überall darauf gerichtet,
die Macht und das Recht der Krone in ungeschwächter Geltung und un-
geschmälertem Ansehen zu erhalten, sie ist bemüht, im Einklange mit den
wiederholt ausgesprochenen Allerhöchsten Intentionen, auf dem Boden der
Verfassung fest beharrend, in der Gesetzgebung durch besonnene Refor-
men den praktischen Bedürfnissen des Landes entgegenzukommen, in der
Verwaltung Recht und Gesetz mit Unparteilichkeit zu handhaben, und auf
allen Gebieten des öffentlichen Lebens der freien und ungehemmten Entwi-
ckelung der geistigen und wirthschaftlichen Kräfte des Volkes Raum zu gön-
nen. Sie hält sich zu der Annahme berechtigt, daß in der Leitung der
öffentlichen Angelegenheiten die Meinung des Landes ihr zur Seite sieht.
Die Staatsregierung glaubt aber nicht, daß ein ihren Erwartungen äußer-
lich entsprechendes Resultat der Wahlen auch dann einen Werth besitzt,