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3. Die Beschaffung der Mittel. Die Kosten der örtlichen Armen-
pflege sind von den Ortsarmenverbänden (Gemeinden), insoweit keine besonderen Ein-
nahmen aus Armenfonds usw. verfügbar sind, in gleicher Weise wie andere Gemeindeausgaben
aufzubringen. In den selbständigen Gemarkungen sind die Kosten von deren Eigentümern
zu tragen. Zur Bestreitung der Kosten der Landarmenpflege erhalten die Kreise
vom Staate Pauschsummen in der Höhe der Hälfte der von den Kreisen in Erfüllung der ihnen
als Landarmenverbände obliegenden Verpflichtungen in dreijährigem Durchschnitt veraus-
gabten Beträge; im übrigen sind die Kosten gleich anderen Kreisausgaben aus der Kreiskasse
zu bestreiten. Die durch die Fürsorge für Geisteskranke, Idioten, Sieche und Blinde ver-
ursachten Armenkosten können von den Landarmenverbänden unmittelbar übernommen werden
(Ges. v. 24. Mai 1893 Art. 1—4; A. Art. 3—5).
Vermag ein Ortsarmenverband den ihm obliegenden Verpflichtungen nicht zu ge-
nügen, so hat ihm auf Ansinnen der Regierungsbehörde der Landarmenverband in Geld oder
mittels Bereitstellung von Pflegeanstalten oder in sonst geeigneter Weise eine entsprechende
Beihilfe zu gewähren. Ob und welche Beihilfe zu leisten ist, entscheidet der Kreisausschuß
vorbehaltlich des Rekurses an den Provinzialausschuß, dessen Entscheidung endgültig ist (UW#G.
§§ 8, 59; A. Art. 7, 18; VR. Art. 133 I Ziff. 9, IV 10.
4. Bezüglich des Verfahrens in Armenunterstützungssachen sind folgende landes-
rechtliche Vorschriften hervorzuheben:
a) da den Hilfsbedürftigen nach dem UW.. grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Armen-
unterstützung zusteht, so kann ein Armer einen Armenunterstützungsanspruch gegen einen
Armenverband niemals im Zivilrechtswege, sondern nur im Verwaltungswege, d. h. bei der
örtlich zuständigen Verwaltungsbehörde geltend machen. Die letztere ist gesetzlich verpflichtet,
keine Ansprüche zuzulassen, welche über das Notwendige hinausgehen. Beschwerden gegen
Verfügungen der Ortsarmenverbände darüber, ob, in welcher Höhe und in welcher Weise
Armenunterstützungen zu gewähren sind, werden jedoch als Verwaltungsstreitsachen behandelt
und sind in erster und letzter Instanz von dem zuständigen Provinzialausschusse zu entscheiden
(AG. Art. 19; VRG. Art. 133 I Ziff. 11, V?).
b) Ansprüche der Ortsarmenverbände auf Beihilfe durch den Landarmenverband sind
als Verwaltungsstreitsachen zu behandeln und in erster Instanz vom Kreisausschuß, in zweiter
und letzter Instanz vom Provinzialausschuß zu entscheiden (s. oben unter Ziff. 3).
) Streitigkeiten, welche gegen einen hessischen Ortsarmenverband von einem anderen
deutschen Armenverband erhoben werden, sind ebenso wie die vorbezeichneten Streitigkeiten
im Verwaltungsstreitverfahren zu erledigen. Die Entscheidung obliegt in erster Instanz dem
zuständigen Provinzialausschuß, in zweiter und letzter dem Bundesamt für Heimatwesen
(AG. Art. 9, 10; VR. Art. 133 I Ziff. 10, V UWG. §§ 38—51 3).
#s 80. Gesundheitswesen. I. Organisation. Die Gesundheitsverwaltung,
d. h. die staatliche Fürsorge für die Verhütung und Heilung von Krankheiten (Sanitäts-
verwaltung und Medizinalverwaltung), ist grundsätzlich Sache der Behörden der allge-
meinen Landesverwaltung, so daß als oberste leitende Behörde das Mini-
sterium des Innern erscheint"). Unter und neben den Behärden der allgemeinen
Landesverwaltung stehen jedoch solgende technische Odrgane: 1. Die bei dem Ministerium
des Innern bestehende Abteilung für öffentliche Gesundheitspfleged);
diese besteht aus dem Ministerialreferenten als Vorsitzenden und mehreren technischen Räten,
unter welchen sich mindestens zwei Arzte, ein Veterinärarzt und ein pharmazeutischer Chemiker
A ) Sezuglich des des früheren Verfahrens vgl. K O. a. F. Art. 48 III 13; Art. 67 Abs. 2 u. 4;
rt. 68; Art
2) Bezüglich O4. früheren Verfahrens vgI. K O. a. F. Art. 48 II 7; Art. 67 Abs. 1; Art. 98
3. 2 h; Art. 100 Abs. 4; Art. 111 Abs.
3) Bezüglich des früheren kl , s. K O. a. F. Art. 98 3Z. 2gu. 111 Abs. 4.
4) Siehe Org BO. v. 28. XlII. 1876 (RBl. S. 665)/7. III. 1908 (RBl. S. 62); & 19,
Dienstinstruktion f. d. Kreisärzte v. 14. VII. 1884 K 5.
5) Siehe Org VW. v. 15. 171. 1879 (RBl. S. 55), I 10 u. 18.