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Personen weiblichen Geschlechtes, welche während ihrer Schwangerschaft und vor der
Entbindung verstorben sind, dürfen nicht eher beerdigt werden, als bis wegen Rettung
des im Mutterleibe befindlichen Kindes die erforderlichen Anstalten getroffen worden find.
Wenn daher eine solche Person gestorben ist, so muß die Leichenwäscherin zu dem
Ende sofort einen Gehurtshelser oder Arzt herbeirufen.
12.
Es ist wo möglich nicht zu verstatten, daß in der Stube, wo das Absterben erfolgel,
und der Leichnam noch 16 bis 20 Stunden im Bette zu lassen ist, andere Personen sich
aufhalten. Die Leichemväscherinnen haben deshalb auf die Entfernung derselben zu drin-
gen, und wenn eine zweite Wohnsiube nicht auszumitteln ist, sie zu ermahnen, daß sie
einstweilen anderwärts bel Venvandten, Freunden oder Nachbarn ihren Aufenthalt neh-
men. Dafern solches nicht möglich wäre, so wie auch überhaupt zu Vermeidung aller
nachtheiligen Folgen für die Gesundheit der Umgebungen, namentlich derer, welche mit
der Leiche zu thun haben, müssen die Leichenwäscherinnen sich sorgfältig bemühen, daß die
Luft des Behältnisses, worinnen der Leichnam liegct, durch wiederholtes Oeffnen der Fen-
ster und Thüren und durch Besprengung des Bodens mit Essig, auch durch Essigdämpffe,
welcke dadurch erregt werden, daß man Gssig auf eine glühende Schaufel gleßt, gerei-
nigt werde.
13.
Zu Vermeidung eigner Gefahr wird den Leichemväscherinnen empfohlen, sich fleißig
mit Esüg zu waschen, an aromatischen Kräuteressig zu riechen, Wachholderbeeren zu kauen,
den Mund mit Kräuteressig und Wasser wiederholt auszuspülen und während der Ver-
richtung ihres Geschäftes sich vor jeder körperlichen Verleyung, namentlich an den Hän-
den, sorgfältigst zu büten.
Vei Beschickung solcher Leichen, welcke an ansteckenden Krankheiten gestorben sind,
eder bei denen schnell die gänzliche Auflösung eintritt, haben die Leichenwäscherinnen den
Leichnam mit Chlorkalkausiösungen oder Holzessig zu begiehen oder mit Holzkohlenpulver
zu besireuen, auch das Leichenzimmer östers zu durchräuchern und zu lüften.
Zu Leichen dieser lehtern Art darf sie Niemandem weiter den Zutritt versiatien, als
rensenigen Personen, welche unumgänglich norhwendig bei denselben zu thun haben. Die-
en hat sie ebenfalls die Verbachtung vorstehender Vorsichtsmaaßregeln anzuempfehlen.
Das Ausstellen solcher Leichen zur Schau in und außer den Häusern, wird ohne
elle Ausnahme bei einer Geldbuhe von Fünf Reichsthalern, oder angemessener Gefäng-
nißstrafe verboten. Auch dürfen lei Vermeidung gleicher Strafen, die Leichen von Ver-
soncn, welche an keiner ansteckenden Krankheit verstorben sind, nur dann ausgesiellt ver-