Full text: Rechtslexikon. 1. Band: A-K (1)

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Kinder ja auch nackt umherlaufen; ein 
andermal „erklärt sich der Paralytiker für 
Gott und küßt dabei dem Arzt demütig 
die Hand‘! (Wernicke.) „Die Nichtbe- 
rücksichtigung der circumstantia temporis 
et loci‘‘ kennzeichnet die Dm des Para- 
Iytikers; z. B. auf offener Straße bei einem 
Liebesantrage bediente sich ein derartig 
Dementer des abgekürzten Verfahrens, 
seinen Penis aus der Hose zu ziehen. 
Herumschweifen, Reisen, Projektemache- 
rei, unsinnige Einkäufe und Anschaffun- 
gen sind weitere Merkmale. Es erhellt, daß 
all dergleichen forensische Bedeutung er- 
langen kann, nicht weniger in straf- als 
in zivilrechtlicher Form. Kapitalverbre- 
chen allerdings sind selten, da dem Para- 
Iytiker hierfür die nötige Energie fehlt; 
dagegen sind Diebstahl, Betrug, Urkun- 
denfälschung, falsche Buchungen, Ver- 
gehen gegen die öffentliche Sittlichkeit, 
Verletzung der Schamhaftigkeit, Aufleh- 
nung gegen die Staatsgewalt, Ausstellen 
von Wechseln, Schuldverschreibungen, 
Testierungen häufig, weil einerseits eine 
völlige Einsichtslosigkeit in das Uner- 
laubte der Handlung besteht, andererseits 
Größenwahn und die oben erwähnte 
leichte Bestimmbarkeit durch sinnliche 
augenblickliche Eindrücke dies erklären. 
Bei jeder Dm ist die Gesamtpersönlich- 
keit entscheidend; eine genaue Anamnese, 
der Entwickelungsgang der Krankheit und 
des Menschen sind aufzunehmen und zu 
berücksichtigen. 
Die senile Dm (Greisenschwachsinn) 
kennzeichnet sich vornehmlich durch den 
fast gänzlichen Verlust der Merkfähigkeit 
und einen entsprechenden Verlust des 
Gedächtnisses für die nächste Vergangen- 
heit. Allgemeine geistige Abstumpfung, 
krasser Egoismus, Lieblosigkeit gegen 
die Angehörigen, schmutziger Geiz, sitt- 
liche Vergehen (besonders an Kindern), 
Stehlsucht sind fernere Symptome. Mit 
dem Schwund des Gehirns stehen in Zu- 
sammenhang die häufigen kleinen Schlag- 
anfälle (pseudoapoplektische Insulte), ein- 
fache Ohnmachten, längere schlafähnliche 
(somnolente) Zustände, Schwindelan- 
fälle usw. Vor dem 60. Lebensjahre tritt 
die senile Dm selten auf. Kleptomanie, 
sittliche Vergehen führen besonders zur 
gerichtlichen Verfolgung derartiger Kran- 
en. 
Die sekundäre Dm bildet den Aus- 
gang vielfacher primärer Geistesstörun- 
  
Dementia — Demokratenauszug. 
gen, so z. B. der Melancholie, der Manie, 
der primären Paranoia (Verrücktheit), der 
akuten Dm (s. o.), der von Kahlbaum und 
Hecker aufgestellten sog Hebephrenie 
(Jugendirresein), welche ihrerseits neben 
der Katatonie von Kraepelin und Aschaf- 
fenburg als verwandte Verlaufsweisen der 
Dm praecox (juvenilem Verblödungspro- 
zeß) angereiht wird. Mendel allerdings 
meint, daß diese neuen Formen der Hebe- 
phrenie und Katatonie, die Kraepelin als 
Dm praecox zusammengefaßt hat, für die 
Psychiatrie entbehrlich sind; nur die letz- 
tere Bezeichnung läßt auch er durch, weil 
in den genannten Fällen sich ziemlich 
schnell ein Zustand von Din entwickelt 
und gerade die Pubertätsjahre davon be- 
troffen werden. Gemeinsam ist der Hebe- 
phrenie und Katatonie, daß eine akute 
primäre Psychose, für welche die Jahre 
der Entwickelung in der Pubertät beson- 
ders geeignet sind (labile Psyche, Läp- 
pischkeit, Flegeljahre), auftritt, die mit 
Melancholie, Manie (Aufregungszustand) 
und Verrücktheit’wechselt und schließlich 
in Blödsinn endet bzw gerade durch die- 
sen Ausgang charakterisiert ist. Besonders 
die Denkträgheit dieser Dementen hebt 
Wernicke hervor. Typhus, Gelenkrheu- 
matismus u. ä. die körperlichen Kräfte er- 
schöpfende Krankheiten können gleich- 
falls sekundäre blödsinnige Zustände zei- 
tigen, die unheilbar sind. 
Die funktionellen Hirnkrankheiten (zen- 
tralen Neurosen) der Epilepsie, Hysterie 
geben fernerhin Veranlassung zur sekun- 
dären Dm; ebenso chronische Vergiftun- 
gen, vornehmlich der Alkoholmißbrauch. 
Der epileptische Blödsinn hat eine rein 
äußerlich zur Schau getragene Frömmig- 
keit zum Charakteristikum. Reizbarkeit, 
Verdrießlichkeit, Neigung zu Gewalttaten, 
Wutanfälle, Unverträglichkeit, ge- 
schraubte, ungeschickte Redeweise zeich- 
nen diese Art der Dm weiter aus. Der 
alkoholistische Blödsinn zeigt Brutalität 
und Stumpfheit des Gemütes in eigentüm- 
licher Mischung; während bei dem epilep- 
tischen Blödsinn eine relativ gute Merk- 
fähigkeit vorhanden ist, zeigt sich bei dem 
alkoholistischen ein Ausfall der gefäufig- 
sten Kenntnisse. Auch nach mehrfachen 
Schlaganfällen (apoplektische Insulte) 
tritt sekundäre Dm (postapoplektischer 
Blödsinn) auf. Cohn. 
Demokratenauszug s. Miete.
	        
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