8 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.)
11. Januar. (Berlin.) Depeschenwechsel zwischen dem Kaiser
und dem Präsidenten Roosevelt. Taufe einer kaiserlichen Jacht;
Reise des Prinzen Heinrich nach den Vereinigten Staaten.
Der Kaiser telegraphiert: Sehr dankbar für Ihre freundliche Zu-
stimmung zur Vollziehung der Taufhandlung beim Stapellauf Meiner
Jacht durch Miß Roosevelt, ist es Mir eine große Freude, Ihnen anzu-
kündigen, daß Ich die Ueberfahrt Meiner Jacht „Hohenzollern“ und ihre
Anwesenheit bei der Feierlichkeit befohlen habe. Mein Bruder, Admiral
Prinz Heinrich von Preußen, wird als Mein Vertreter erscheinen, sich dort
mit der Jacht treffen und Gelegenheit haben, Ihnen nochmals Meine auf-
richtigen Gefühle der Freundschaft für die Vereinigten Staaten und deren
ausgezeichnetes Oberhaupt auszudrücken.
Der Präsident erwidert: Ew. Majestät Absicht, die Jacht „Hohen-
zollern“ herüberzuschicken, um beim Taufen Ihrer neuen Jacht durch meine
Tochter anwesend zu sein, ist mir sehr erfreulich und mich befriedigend
und versichere ich Sie des herzlichsten Willkommens Ihres Bruders, Ad-
miral Prinz Heinrich, dem ich dann das aufrichtige Gefühl meiner Hoch-
achtung Ew. Majestät, sowie meine besten Wünsche für die Wohlfahrt des
deutschen Volkes persönlich aussprechen werde.
(gez.) Theodore Roosevelt.
11. Januar. (Reichstag.) Diskussion des Falles Spahn
(1901 S. 145). Evangelische und Katholische an der Universität
Straßburg. Historische Leistungen der Katholiken.
Abg. Sattler (nl.) bringt die Ernennung eines protestantischen
und katholischen Professors in Straßburg zur Sprache; es sei das gefähr-
lich, weil darin die Anschauung liege, daß es eine konfessionelle Geschichts-
wissenschaft gäbe. Wir sehen darin ein Zugeständnis an das Bestreben der
Herren vom Zentrum, ihre Anhänger möglichst von den Anhängern des
Protestantismus zu trennen und in gesonderten Organisationen zu ver-
einigen. Ein solches Auseinanderreißen des deutschen Volkes in getrennte
Lager halten wir im höchsten Grade bedenklich. Denn einmal wird da-
durch die Gefahr heraufbeschworen, daß die Kirchenverwaltungen zu der
Meinung kommen, daß sie ein Beaufsichtigungsrecht über die Lehren der
Professoren haben, und zweitens wird die Gefahr heraufbeschworen, daß
auch die Herren, die unter der Bedingung der Konfession zum Lehren der
Geschichte berufen worden sind, auch ihrerseits sich in den Irrtum ein-
lullen, sie seien genötigt, nur das zu lehren, was die Kirche ihrerseits gut
heißt, also nur eine kirchlich abgestempelte Geschichte vorzutragen.
Staatssekretär für Elsaß-Lothringen v. Köller: Der elsaß-lothrin-
gische Landesausschuß habe seit langer Zeit die Anstellung von katholischen
Professoren gewünscht. Die Statistik der Konfessionen an der Universität
Straßburg lasse diesen Wunsch berechtigt erscheinen. Ein Drittel der Stu-
dierenden sei katholisch, dagegen seien von den 72 Professoren nur vier
katholisch. — Abg. Bachem ( Z.): Abg. Sattler sagt, es gibt nur eine
historische Wissenschaft. Gewiß, aber die Gesamtauffassung der Geschehnisse
des allgemeinen Ganges der Weltgeschichte ist doch — das lehrt uns ein
Blick auf die gesamte historische Literatur — eine ganz andere, je nach
dem Standpunkte des Verfassers. Gibt es denn nur eine Auffassung der
Geschichte? Sehen wir einmal die Reformationsgeschichte an: nehmen Sie
die bedeutendsten Gelehrten je auf protestantischer und auf katholischer
Seite und Sie werden finden, daß die Auffassung eine ganz verschiedene