Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Erster Jahrgang. 1873. (1)

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wie zur etwa weiter erforderlichen Vertretung der ständischen Rechte den 
Landsyndikus sowie zwei ihrer Mitglieder, den Kammerherrn v. Cramm- 
Sambleben 1) und den Oberhauptmann v. Kalm-Halchter, nach Frankfurt 
ab. Es schien nochmals, als ob der Herzog einlenken wollte. Durch ein 
Neskript vom 25. Mai ließ er der getreuen Landschaft eröffnen, daß er die 
vor der Usurpation bestandenen landschaftlichen „Verhältnisse“ und namentlich 
die landschaftlichen Privilegien vom 9. April 1770 damit anerkenne und nicht 
abgeneigt sei, mit den Ständen über Modifikationen, die durch die veränderten 
Zeitumstände für nötig erachtet werden möchten, Verhandlungen eröffnen zu 
lassen. Allein diese Verheißung fand keinen Glanben 2). Die vereinigten 
Ausschlisse erwiderten, daß eine Anerkennung der Privilegien ohne Anerkennung 
der Abänderungen, die jene durch die E. L. O. erfahren hätten, und der letzteren 
selbst den Ansichten der Stände nicht entspreche und daß sie daher pflichtwidrig 
handeln würden, wenn sie das Anerbieten des Herzogs als eine geeignete Grund- 
lage für weitere Unterhandlungen entgegen nehmen wollten (Schreiben vom 
30. Mai 1829). Die Spannung zwischen den streitenden Teilen verschärfte 
sich noch, als im Herbst des Jahres v. Cramm, in seiner Eigenschaft als Titular- 
Kammerherr zur Ableistung des Huldigungseides aufgefordert, sich dessen als 
Mitglied der Landschaft, bis die Bestätigung der Landschaftsordnung und der 
Erlaß der Reversalen Höchsten Orts erfolgt sein werde, geweigert hatte und 
ihm darauf der Zutritt bei Hofe und zu allen unter dem Hofetat stehenden 
Orten 3) untersagt, jedem Staatsdiener aber irgend welcher Verkehr mit ihm 
aufs strengste verboten war (Reskripte vom 12. und 14. November 1829). 
Die Ausschüsse wandten sich an den Herzog mit der Bitte, durch Aufhebung 
der harten Verfügung und durch Erteilung eines förmlichen Abschiedes an ihren 
Mitstand die Kränkung zu verwischen, die er und sie mit ihm erlitten hätten 
(Eingabe vom 18. November 1829), aber der Herzog ließ das Schreiben durch 
das Staatsministerium ungelesen zurückschicken: nicht eher, so lautete sein Be- 
scheid, werde auch das Ministerium von den Ausschüssen schriftliche Anträge 
wieder entgegennehmen, als bis bei der Bundesversammlung die in den Be- 
schwerdeschriften der Landstände aufgestellte Behauptung, daß die zu wieder- 
  
renz, die unterm 25. April 1820 publicirte erneute Landschaftsordnung betreffend", 
Frankfurt 1829. 
1) Kammerherr und Landdrost Ludwig Thedel Aug. v. Cramm auf Sambbleben, 
geb. am 24. August 1791, gest. am 22. Juni 1858, gehörte bis zum Jahre 1849 
der Ständeversammlung an als eines ihrer einflußreichsten und fähigsten Mitglieder, 
von stark liberaler Gesinnung und mit einer ausgesprochenen Neigung zur Opposition. 
Im Frühjahr 1848 wurde er als Vertrauensmann der Stände nach Frankfurt ge- 
sandt, um dort in der Bundesversammlung bei der Nevision der Bundesakte mitzu- 
wirken, war Präsident des Landtages von 1848 und legte 1849 zunächst dieses Amt, 
bald hernach auch sein Mandat als Abgeordneter wegen Kränklichkeit nieder. 
*) Jenes Restkript war nicht kontrasigniert, mußte daher den Ständen als er- 
schlichen gelten. Lag darin eine Falle, die ihnen gestellt werden sollte? 
*) Dahin gehörten unter anderem das Hoftheater, das Museum, die Bibliothek 
zu Wolfenbüttel, die Domkirche.
	        
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