Contents: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

156 Erster Theil. Vierter Titel. 
8. 108. Ist die aufschiebende Bedingung so beschaffen, daß sie von einer ganz 
unbestimmten 1099) Willkür des Erklärenden oder dessen, welcher durch die Erklä- 
ung verpflichtet werden soll, abhängt, so hat die Erklärung selbst gar keine rechtliche 
irkung. 
8. Voo. Ist zwar ein bestimmtes Ereigniß, aber nur ein solches, dessen Eintref- 
fen oder Nichteintreffen an sich von dem freien Willen des Erklärenden oder Verpflich- 
teten abhängt, zur Bedingung gesetzt, so kann der Begünstigte den Verpflichteten nicht 
hindem ½10), über den Gegenstand der Erklärung, so lange dies Ereigniß noch nicht 
eingetragen ist, nach Gutbefinden zu verfügen. 
5. 110. Setzt durch dergleichen Verfügung der bedingungsweise Verpflichtete sich 
selbst außer Stand, bei künftig eintretendem Ereigniß der Erklärung zu genügen, so 
kann der Berechtigte, welcher in Rücksicht dessen bereits etwas gegeben oder geleistet 
hat 111), vollständige Schadloshaltung dafür fordern. 
S. 111. Kann zur Zeit des wirklich eintretenden Ereignisses der Erklärung noch 
genügt werden, so hat der Berechtigte ein unbedingtes Recht darauf erworben 112). 
in dem angeführten Falle werde der Kollator nicht verhindert, dem Berechtigten die Stelle zu geben, 
sondern nur durch Gründe bestimmt, es nicht zu thun. Es ständen also folgende Sätze fest: 
Wenn der Verpflichtete die Erfüllung oder den Eintritt der Bedingung vorsätzlich hindert, so ist 
dieselbe in Ansehung seiner für erfüllt zu achten. 
Ein Gleiches findet statt, wenn er durch Betrug oder andere unerlaubte Mittel den Entschluß 
bewirkt, auf welchem die Bedingung beruht. 
Wenn der Verpflichtete durch erlanbte Mittel den Entschluß befördert, welcher das Ausbleiben der 
Schingung zur Folge hat, so wird er dadurch dem Berechtigten nicht verantwortlich. Jahrb. Bd. UII, 
. 66 
Diese drei Sätze finden sich im Wesentlichen in den §#§S. 105—107 wieder. 
109) Durch diesen Ausdruck soll ohne Zweisel der klare röm. Rechtssatz bestätigt werden, wonach 
die Bedingung ### velit“ das Dasein eines Rechtsverhältnisses ganzn verhinderte, nicht allein bei ein- 
seitigen Verpflichtungen (L. 17, 45, S. 3; L. 106, S. 1 D. de verb. obl. XLV, 1; L. 7 pr. D. de 
contr. emt. XVIII, 1), sondern auch bei wechselseitigen Verträgen (I. 7 pr. cit.; L. 13 C. de contr. 
emt. IV, 38), mit alleiniger Ausnahme des Kaufs ad gustum (L. 34, S. 5 D. eod; §S. 4 J. de 
emt. III, 23). Dagegen war die Bedingung, welche auf eine bestimmte freie äußere Handlung 
des Verpflichteten gestellt war, allerdings rechtserzeugend. Darauf gründet sich die Gültigkeit der Kon- 
ventionalstrafen und des legati poenae nomine relicti. L. un. C. de hls quse poense (VI, 41); 88. 35, 
36 J. de legatis (II, 20). Nichts deutet darauf hin, daß die Verf. des L. R. etwas Abweichendes hier- 
von haben einführen wollen; im Gegentheile: die Wirksamkeit der Konventionalstrasen ist allgemein 
anerkannt und namentlich i. die Bedingung derselben, wenn der Verpflichtete eine gewisse be- 
stimmte Handlung nicht unterlassen wlrde, für gültig erklärt. 1, 5, §5. 303. Hiernach ist anzu- 
nuehmen, daß unter der „ganz unbestimmten Willkür“ die allgemeine Bedingung: „wenn er will“, 
verstanden wird, daß hingegen eine in die Willkür des Verpflichteten gestellte ganz bestimmte Hand- 
lung oder Unterlassung eine wirksame Bedingung ist. Dies erhellet auch aus dem Gegensatze des sol- 
enden 8. 109. 
8 Diese Art von Bedingungen heißen in unseren Rechtsauellen c. potestativ#se (Potestativbedingun- 
gen) L. un. S. 7 C. de cad. toll. (VI, 51), und man theilt hiernach alle Bedingungen in casuales, 
potestatirse und mintae. Das K. R. hat diese Terminologie nicht. 
110) Ist bloße Anwendung des Grundsatzes §. 102. Dieser erleidet dadurch, daß die Bedingung 
auf eine willkürliche Handlung des Verpflichteten gestellt ist, keine Aenderung. 
111) S. d. solg. Anm. a. E. 
112) Die beiden §§. 110 u. 111 regeln das Klagrecht, welches dem Berechtigten zusteht, wenn 
das Recht durch das Eintreffen der Potestativbedingung zum Dasein kommt. Drei verschiedene Fälle 
können eintreten. Der Verpflichtete hat den Gegenstand noch in seiner Gewahrsam: dann ist das Ber- 
dälmiß ganz einfach; es wird die aus dem Rechtegeschäfte entspringende Klage auf Einräumung des 
Gegenstandes augewen- Oder der Verpflichtete hat den Gegenstand nicht #uehr; dieser ist im Besite 
eines Dritten. Oder der Gegenstand ist vernichtet, oder unerreichbar. In dem zweiten Hauptfalle 
dat der Dritte das Rechteverhältniß gekannt, oder nicht gekannt. Hat er es gekannt, so muß er die 
analoge Klage aus dem Rechteverhältnisse gegen sich gelten lassen und die Sache unentgeltlich heraus- 
geben. I, 10, 5. 25, verb. mit . 103 d. T. Hat er es nicht gewußt, so tritt der dritte Hauptfall 
eim. In diesem fordert der Berechtigte, mit der dem Rechtsverhältnisse eigenthümlichen Klage, Eut- 
schädigung, und zwar, zufolge §. 110, vollständige. Doch ist diese Forderung des Interesses aus- 
 
	        
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