Vom Eigemhume. 377
§. 28. Mißbrauch heißt ein solcher Gebrauch des Eigenthums, welcher vermöge
seiner Natur 15) nur die Kränkung eines Andem zur Absicht haben kann 1°2).
18) Ein solcher Gebrauch, der nach seiner Natur nur die Kränkung eines Anderen bezwecken
kann, ist z. B. nicht die Anlegung von Oeffnungen in einer unmittelbar an den Hofraum des Nach-
bars stoßenden Maner. Die Anlage würde nur dann in eine mißbränchliche ausarten, wenn damm
ein Eingriff in den Eigeuthumsbereich des Nachbars verbunden wäre, 3. B. die Anbringung sich nach
Außen in den Luftraum über des Nachbars Boden öffnender Fensterflügel, Auswerfung oder Ansgie-
ßung von Substanzen oder Flüssigkeiten auf des Nachbars Grund, Hinabsteigen durch solche Oeffnun-
en u. dergl. Aus dem Rechtsgrunde des Mißbrauches können also dergleichen Oeffunngen nicht ver-
Dinder. werden. Dageen sind sie aus dem Gruine der geseslichen Beschränkung (§. 26) zu ver-
hindern. Entsch. des Obertr. Bd. XIX, S. 109.
(2. A.) Der §. 28 schränkt den freien Gebrauch des Eigenthums, zu Gunsten des Nachbars, nur
insowen ein, als er vermöge seiner Natur nur die Kränkung eines Anderen zur Absicht haben kann.
In neuerer Zeit ist jedoch bei den Fortschritien der Industrie auch ein solcher Gehrauch ausgekommen,
der schon seiner Natur nach das Eigenthum des Nachbars dauernd verschlechtert, mithiu ganz gewiß
die Kränkung desselben zur Folge hat, nur daß solche Kränkung nicht der eigentliche Zweck der Amage
ist, vielmehr damit ein gewerblicher Zweck versolgt wird. Dergleichen Anlagen sind z. B. Zinkhütten,
Fabriken zur Bereitung von Salzsäuren und anderen solchen chenuschen Prodnkten, bei deren Berei-
tung Dämpfe entwickelt werden, die das vegetabilische Leben lahmen, wenn nicht gar vernichten. Die
in der vor. Anm. 17 mitgetheilte Entsch. des Obertr. v. 18. Sept. 1848 hat, von einem untergeord-
neten Standpunkie aus, dergl. Anlagen für völlig erlaubt erklärt, so zwar, daß der Nachbar die Ver-
nichtung seines Eigenthmms geduldig zu leiden und keinen Anspruch auf Ersatz zu machen habe. In
Folge dieses Prinzipes müßte eine wechselseitige Vernichtung des Eigenthums als geordneter Zustand
angesehen werden, weun nicht körperliche Einwirkung und Berührung stattfindet, sondern lediglich durch
Naturkräste ans angemessener Entsernung gewirkt würde. Wäre es also dem meuschlichen Geiste ge-
geben, nach Willkür über bekannte und unbekannte Naturkräfte zu gebieten, so dürfte z. B. ein Ackers-
mann, dessen Felder durch die Dämpfe der Fabrik des Nachbars unfruchtbar geworden, auf denselben
eine andere Anlage zu einem gewerblichen Zwecke machen, welche — in Thätigkeit gesetzt — jene Fa-
brik, vielleicht mittelst Elektrizjität, zertrliummnerte. Dabei könnte die bürgerliche Gesellschaft doch un-
möglich bestehen. Den schützeuden Grundsat hat schon der §. 92 der Einl., der seinen Ursprung zwar
auf einem anderen Felde hat, aber doch auch hier in den absolmen Eigeuthumsverhältuissen seine volle
Geltung sindet. Die Praxis hat, ohne Zweifel in Erwägung der angedeuteten Umstäude und Folgen,
auch schon umgelenkt, wenn auch nur halbwegs, indem man sich gemüßigt Felern hat, die anzuger
lenden Grundsätze wesentlich negativ zu halten. Das Odertr. hat durch Pl.-Beschl. (Pr. 2382) vom
7. Juni 1852 folgende Sätze als Rechtssätze ausgesprochen: „Der Eigenthümer einer Fabrikations-
anstalt ist vermöge seines Eigenthumsrechtes nicht unbedmgt besugt, die durch den Betrieb emer sol-
chen Anstalt entwickelten Dämpfe auf benachbarte Grundstücke zu verbreiten, und kann den Ersatz eines
hierdurch veranlaßten Schadens nicht schon durch die Behauptung abwenden, daß er sich nur eines
ans dem Eigenthume folgenden Rechts bedient habe. Ebenso wenig schützt der Umstand, daß die Fa-
brilationsansanr mit polizeilicher Erlaubniß angelegt und betrieben worden ist, für sich allein schon
gegen die Vertretung eines entstandenen Schadens. — Der Jnhaber ciner Fabrikationsanstalt kann
nach Umständen für den Schaden verantwortlich gemacht werden, welchen der durch den Gebrauch der
Anlage entstehende und sich über andere Grundstilcke verbreitende Dampf oder Rauch verursacht, ohne
daß es zur Begründung der Vertretungsverbindlichkeit des Nachweises einer besondereu Verschuldung
bei der Anlage und bei dem Betriebe der Fabrikanstalt bedarf.“ (Emsch. Bd. XXIII. S. 252.) Der
Kern hiervou ist: ein Rechtsprinzip ist nicht zu finden, der Richter kann in jedem einzelnen Falle thun
was ihm gut dünkt. Da hat der gemeine Menschenverstand doch ein anderes Rechtsbewußtsein. Der
arme Mann sagt, vermöge seiner Gleichberechtigung: „Ich will doch auch leben“. Das ist
das Rechtsprinzip, welches hier zur Anwendung komnu. Alle in den Motiven entwickelte Gelehrsam-
keit und Wortfülle beweist nicht soviel wie dieser einfache, unwiderlegbare Satz. Zuletzt ist die Frage
doch auf die Lehre von der Kollision der Rechte zurückzuführen, was auch das Obertribunal am Schlusse
seiner Ausführung dagegen sagen mag. Die Kollision muß nur aus einem etwas höheren Gesichts-
kreise aufgesaßt werden, als es dort geschieht. Jeder Eigenthümer hat das Recht, sein Grundstück zu
nutzen, wie er kann und mag. Der Ackeromann baut Kartoffeln und Korn, der Fabrikant baut eme
Zinkhütte. Beides kann nebeneinander nicht bestehen. Wenn beide Grundstücke nebeneinander liegen,
so können beide Nachbarn ihr Eigenthum nicht gleichzeitig, wie sie mögen und können, benutzen; die
Zinkhütte macht den Kartoffel = und Kornbau ummoglich. Ich hätte von deim Obertr. gern eine er-
"öpfende Antwort: warum das keine Kollsion sein soll. Nun, wenn es handgreistich Kollision ist,
o solgt Ausgleichung nach dem Grundsatze von der Gleichberechtigung von selbst. Vergl. I., 8. S. 5
ID. si servitus vindicetur (VIII, 5). (4. A.) Eine Auwendung des Pl. Beschl. macht das Obertr. in
einem Erk. v. 4. Januar 1859 auf den Fall, wo ein Landmann von NRauch und Ditze der Koaksöfen
des Nachbars an seinen Feldfrüchten zu leiden hatte (Entsch. Bd. XL, S. 37). Anzumerken ist hierzu,