Metadata: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

DER GEHEIMAGENT 259 
Orden, den ich nicht in Anerkennung dieser meiner Bemühungen, noch dazu 
mit Brillanten, erhalten hätte. Aber ich habe unsere Freundschaft mit der 
Türkei nur als Mittel zum Zweck betrachtet, und zwar mehr für wirtschaft- 
liche als für politische Zwecke. Ich habe mir auch keine Illusionen über die 
Grenzen türkischer Leistungsfähigkeit gemacht. Sowohl Marschall als sein 
Nachfolger Wangenheim, die beide in ihrem Botschafterposten am Goldenen 
Horn das Sprungbrett sahen, um auf einen leitenden Berliner Posten zu ge- 
langen, haben durch Schönfärberei in ihrer Berichterstattung viel gesündigt. 
Beim Rückblick auf unsere Palästinareise steigt ein Zwischenfall vor 
mir auf, der, wenn er im Augenblick eher komisch wirkte, doch auch zu 
nachdenklichen Betrachtungen Anlaß bieten konnte. Als Gerüchte von 
einem gegen den Kaiser geplanten Attentat nach Berlin gelangten, beschloß 
unsere Polizei, besondere Maßnahmen zum Schutz Seiner Majestät zu 
ergreifen. Der Minister des Inneren schrieb an den Chef des Zivilkabinetts, 
daß für diese delikate Mission ein besonders gewiegter und geschickter 
Geheimpolizist ausersehen wäre. Wir befanden uns auf dem Marsch von 
Haifa nach Jerusalem gerade beim Mittagsmahl, unter freiem Himmel, 
als sich dem Kaiser ein Herr in Zivil näherte, dem auf zehn Schritt der 
preußische Offizier anzusehen war an Haltung, Manieren und Anzug. 
Damit gar kein Zweifel obwalten könne, trug er möglichst auffällig das 
Eiserne Kreuz von 1870. Bei Seiner Majestät angelangt, meldete er mit 
einer Stimme, um die ihn Stentor hätte beneiden können, der starke Mann, 
von dessen eherner Stimme Homer rühmt, daß sie laut tönte wie die 
fünfzig anderer Männer: „Von N., früher Leutnant im x. Regiment, jetzt 
beim Königlichen Polizeipräsidium in Berlin beschäftigt und von dem 
Herrn Polizeipräsidenten als Geheimagent Eurer Majestät beigegeben zur 
sekreten Bewachung Eurer Majestät Allerhöchster Person, meldet sich 
alleruntertänigst zur Stelle.““ Der Kaiser, sehr belustigt, schüttelte diesem 
Geheimagenten die Hand und riet ihm, baldmöglichst nach Berlin zurück- 
zukehren. Der Schutz des Kaiserpaares blieb den beiden tapferen Syriern 
überlassen, die es jedenfalls mit allen Berliner Polizeiagenten aufnehmen 
konnten. Diese Episode erinnerte mich an eine gelegentliche, in meiner 
Gegenwart gefallene Äußerung des Fürsten Bismarck, der darüber klagte, 
daß er niemals einen wirklich geschickten Berliner Polizeipräsidenten zu 
seiner Verfügung gehabt hätte. Es fehlen uns nun einmal diejenigen Eigen- 
schaften, die seit Fouche den Ruhm so vieler Pariser Polizeipräfekten aus- 
gemacht haben, die mit angeborener Schlauheit und durch das Leben 
erworbener Menschenkenntnis Rücksichtslosigkeit und nötigenfalls brutale 
Energie verbanden. Der einzige Berliner Polizeipräsident, der etwas von 
dieser Art besaß, Hinkeldey, wurde unter Friedrich Wilhelm IV. im Duell 
von einem konservativen Edelmann erschossen. 
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