$ 3. Geschichtliche Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts. 35
lichen privilegia de non appellando und privilegia de non evo-
cando zu befreien und sich der Kontrolle der Reichsgerichte
zu entziehen.!! Wenn ein kaiserliches Privileg nicht zu bekommen
war, so wurde das Ziel häufig durch Anwendung von Gewalt
erreicht. Als man Friedrich Wilhelm I. von Preußen von Klagen
berichtete, die seine Untertanen gegen ihn bei den Reichsgerichten
angestrengt hätten, so verordnete der König: ‚daß den renitenten
Edelleuten allerhand Schikanen gemacht und ihnen solcher-
gestalt der Kitzel vertrieben werde, gegen ihren angeborenen
Landesherrn und Obrigkeit an dergleichen frevelhaftes und gott-
loses Beginnen weiter zu denken.‘® Die Lücke, welche durch
11 Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrecht, II S. 167ff. Georg
Meyer- Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 6. Aufl.,
S.656. Insbesondere fallen in Betracht der Jüngste Reichsabschied
v.J. 1654 $ 123: „Schließlich und zum eilfften befehlen Wir den Assessorn
Unsers und des Heil. Reichs Cammer-Gcrichts hiermit ernstlich, der
Ständ-Privilegia reiflich zu erwegen, fleißig in Acht zu nehmen und steiff
darüber zu halten, damit also leicht dergleichen Appellationes nicht an-
genommen werden, welche solchen Privilegiis und darinnen enthaltenen
Summen zuwider lauffen, in Gestalten dann Cammer-Richter, Präsidenten
und Beysitzere, wann sie im Zweiffel stehen, ob die Summa appellabilis,
oder aber dem Privilegio vielleicht nicht conform sein möchte, die begehrte
Inhibitiones nicht zu erkennen, sondern abzuschlagen oder wenigst dem
Judici a quo vorhero um Bericht zu schreiben schuldig sein sollen.“ (K.
ZJeumer, Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichs-
verfassung in Mittelalter und Neuzeit?, 1913, S. 446.) — Entwurf einer
beständigen Wahlkapitulation vom 8. Juli 1711, Art. XVIII: ‚Der
Römische Kayser .. . . . will auch die Churfürsten, Fürsten,
Prälaten, Grafen, Herren und andre Stände des Reichs, ingleichen die
unmittelbare Reichs-Ritterschafft und dero allerseits Untertanen im Reich
mit rechtlichen oder gütlichen Tag-Leistungen von ihren ordentlichen
Rechten nicht dringen, erfordern oder vorbescheiden, sondern einen
jeden bey seiner Immedietät, Privilegiis de non appellando et evocando,
sowohl in Zivil- ala Criminal-Sachen, Electionis fori, dem Jure Austre-
garum bey der ersten Instantz und deren ordentlichen, unmittelbaren
Richtern, mit Aufheb- und Vernichtung aller deren bißhero etwan dar-
gegen unter was Schein und Vorwand es seyn möge, beschehener Contra-
ventionen, ergangenen Rescripten, Inhibitorien und Befehlen, bleiben,
und keinen mit Commissionen, Mandaten und anderen Verordnungen
darwider beschweren oder eingreiffen, noch auch durch den Reichs - Hof-
Rath und das Cammer-Gericht oder sonsten eingreiffen lassen .... . . “
(Zeumer, Quellensammlung S. 474.)
12 Otto Mayer, Justiz und Verwaltung S. 6.
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