96 JFas dentsche Reich und seine einzelnen Elieder. (April 12—13.)
Priester immer die Zirkelquadratur bleiben wird, der man nahe komutt, die
man aber nicht vollständig erreichen kann. Im Jahre 1873 sagte ich in
diesem Hause: „Der Kampf des Priestertums mit dem Königtum, der Kampf
in diesem Falle des Papstes mit dem deutschen Kaiser, wie wir ihn schon im
Mittelalter gesehen haben, ist zu beurteilen, wie jeder andere Kampf: er hat
seine Bündnisse, er hat seine Friedensschlüsse, er hat seine Haltpunkte, er
hat seine Waffenstillstinde. Es hat friedliche Päpste gegeben, es hat käm-
pfende und erobernde gegeben.“"“
Also Sie sehen auch da den Blick auf die Zukunft gerichtet, in der
man hofft, zu einer Verständigung zu gelangen. Noch bestimmter liegt der
Gedanke ausgedrückt in der Außerung im Jahre 1875, wo man sich doch
schon in ziemlichen Zorn hinein gekämpft hatte, das Auge aber dennoch un-
entrückt auf den Frieden gerichtet war; damals habe ich im Hause der Ab-
geordneten gesagt: „Meine Verbindungen beschränkten sich auf den, wie gesagt,
gescheuten, jetzt aber leider einflußlosen Kardinal Antonelli, indes bewahre
ich die Hoffnung, daß der päpstliche Einfluß auf das Zentrum sich erhalten
werde. Denn wie uns die Geschichte kriegerische Päpste und friedliche, fech-
tende und geistliche zeigt, so hoffe ich, wird doch auch wieder einmal dem-
nächst die Reihe an einen friedliebenden Papst kommen, der bereit ist, auch
andere Leute leben zu lassen nach ihrer Art, und mit dem sich Frieden
schließen lassen wird, darauf ist meine Hoffnung gerichtet, und dann hoffe
ich wiederum, einen Antonelli zu finden, der einsichtsvoll genug ist, um dem
Frieden mit der weltlichen Macht entgegenzukommen.“
Überall, auch damals im heftigsten Kampfe, ist diese Zuspitzung auf
den Frieden hin, also die Natur der Maigesetze als Kampfgesetze, niemals
aus den Augen verloren worden. Und doch hält man mir jetzt vor — in
den Blättern habe ich es gelesen —, seit Olmütz wäre dem Staate niemals
etwas Unwürdigeres zugemutet. Canossa ist das dritte Wort, das mir vor-
gehalten wird. Aus derselben Rede, in der ich äußerte, „nach Canossa gehen
wir nicht", ein Wort, das ich auch noch heute wiederhole, ergibt sich, wie
dieses Canossa zu verstehen ist, was es für eine Tragweite hat. Ich habe
damals gesagt: Die Regierungen des deutschen Reiches suchen emsig, suchen
mit der ganzen Sorgfalt, die sie ihren katholischen wie ihren evangelischen
Unterthanen schulden, nach den Mitteln, um in einer möglichst friedlichen,
in einer die konfessionellen Verhältnisse des Reichs möglichst wenig erschüt-
ternden Weise aus dem jetzigen Zustande in einen annehmlicheren zu gelangen.
Die Regierung schuldet den katholischen Mitbürgern, daß sie nicht müde werde,
die Wege aufzusuchen, auf denen die Regelung der Grenze zwischen der geist-
lichen und der weltlichen Gewalt, der wir im Interesse unseres inneren Frie-
dens absolut bedürfen, in der schonendsten und konfessionell am wenigsten
verstimmenden Weise gefunden werden können.“
Die Hoffnung, daß ein dem Frieden geneigter Papst zur Regierung
gelangen werde, erfüllte sich etwa drei Jahre nach der letzten Außerung; ich
erufe mich hier auf eine der ersten Kundgebungen des Papstes Leo Xlll.
aus dem Jahre 1878 bald nach seinem Regierungsantritt, dieselbe lautet:
„So werden Wir für die deutsche Nation fortfahren zu wirken inmitten der
Hindernisse aller Art; denn Unsere Seele wird niemals Ruhe finden, solange
der kirchliche Friede in Deutschland nicht wiederhergestellt ist.“
Ich glaube, meine Herren, dies Verlesene reicht hin, um jeden Ge-
danken daran zu entkräften, als hätten wir jemals die kirchlichen Kampf-
gesetze als eine Basis für die dauernde Zukunft des Reichs oder Preußens
betrachtet. Im Sinne des Gesagten habe ich auch, sobald der jetzige Papst zur
Regierung kam, Verbindungen angeknüpft, die publici juris find. — — —