304 Die Rämische Kurie. (August 5.)
nommenheit unbemerkt geblieben wäre, hätten den Papst sehr betrübt. Die
Angriffe seien nicht so sehr gegen die Person des Kardinals gerichtet, der
stets ein bemerkenswertes Beispiel pastoraler Mildthätigkeit gegeben habe,
als gegen das von dem Kardinal vertretene Prinzip. Man begreife nicht,
wohin dieser Krieg gegen die bischöfliche Autorität führen könne, wenn die
staatliche Autorität selbst sich erschüttert fühle. Am Schluß des Briefes
heißt es: der Papst habe in den Beweisen von Achtung und Ergebenheit,
welche die Geistlichkeit von Mailand dem Kardinal Ferrari dargebracht
habe, Trost gefunden und hoffe, daß auch die katholischen Laien Mailands
in der Achtung und Zuneigung zu ihrem Hirten einig bleiben würden.
5. August. Der „Osservatore Romano“ veröffentlicht eine
päpstliche Encyklika über die Unterdrückung katholischer Vereine und
Zeitungen.
Der Papst erinnert an den moralischen wohlthätigen Zweck der In-
stitutionen und an die Tumulte und Blutscenen, welche viele Gegenden in
Trauer versetzten. Die Regierungsmaßnahmen zerstörten in wenigen Stunden
die hingebende Arbeit vieler Jahre, der besten Köpfe und Herzen. Sie
seien unerhört gehässig und stünden im Widerspruch mit allen vorherigen
Versicherungen der Regierung, verletzten die Grundlagen der Gerechtigkeit
und beleidigten das Ansehen des Papstes. Der Papst leugnet die Staats-
feindlichkeit der katholischen Gesellschaften, und er versichert, daß die katho-
lischen Italiener vor jeder Verschwörung und Rebellion gegen die Obrigkeit
zurückschaudern, der sie geben, was ihr gebührt; sie können aber das Ver-
langen nicht aufgeben, daß ihrem obersten Haupte die nötige Unabhängigkeit
und Fülle wirklicher Freiheit wiedergegeben werde, die unerläßliche Be-
dingung für die Freiheit und Unabhängigkeit der katholischen Kirche. In
dieser Hinsicht werden ihre Gefühle weder durch Drohungen noch durch Ge-
walt eingeschüchtert. Unvernünftig und ungerecht würde es sein, von den
Katholiken politische Unterstützung zur Aufrechterhaltung der gegenwärtigen
Ordnung der Dinge zu verlangen. Die Arbeit der katholischen Jaliener
wird sich also allein auf das soziale und religiöse Feld konzentrieren. Die
angewandten Maßnahmen setzen die unerträgliche Lage in das rechte Licht.
Wenn einige Thaten, mit denen die Katholiken nichts zu thun haben, zur
Unterdrückung tausender wohlthätiger Einrichtungen genügten, so ist keine
Garantie vorhanden für die Freiheit und Unabhängigkeit des apostolischen
Stuhles. „Unser Schmerz ist groß, nicht minder aber unsere Zuversicht
auf die Vorsehung, die über die Kirche wacht, welche identisch bleibt mit
dem Papstium nach dem Ausspruch des Ambrosius: ubi petrus, ibi ec-
clesia.“ Die Enchklika ermahnt weiter den Klerus zu unermüdlicher Arbeit
und versichert den Gläubigen, daß das Papsttum, wie es in vergangenen
Jahrhunderten in den gefährlichsten Stürmen der Führer, Verteidiger und
Retter der Völker, besonders des italienischen war, auch in Zukunft seine
große heilige Mission erfüllen werde in Verteidigung der Rechte, im Bei-
stand im Unglück, in Liebe zu Mühseligen und Unterdrückten. „Verliert
nie den Mut, seid blind gehorsam Euren Seelenhirten; die Güte Eurer
Sache wird immer strahlender hervorleuchten, wenn die Gegner gezwungen
sind, ihre Zuflucht zu so traurigen Waffen zu nehmen."
August. Briefwechsel zwischen dem Papst und Kardinal
Langenieux über das französische Protektorat im Orient (vgl. Türkei
und Deutschland).
Kardinal-Erzbischof v. Rheims Langénieux schlägt dem Papst die