1871. 49
XI. Verordnung
vom 5. Mai 1871, betreffend die Ausführung der §§. 23 bis 26 des
Bundes-Strafgesetzbuchs.
Mit Höchster Genehmigung Sr. Durchlaucht des regierenden Fürsten ver.
ordnen Wir zur Ausführung der §§. 23 bis 26 des Bundes-Strafgesetzbuchs
vom 31. Mai 1870 in Bezug auf die vorläufige Entlassung von Strafgesangenen
sowic auf deren Beaussichtigung andurch was folgt.
S. 1.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der vorlänfigen Enklassung macht es keinen Unter-
schied, ob die Strase vor oder nach dem I. Jannar 1871 erkannt worden ist.
§S. 2.
Die vorläufige Entlassung kann von dem Gefangenen niemals als ein Recht
in Anspruch genommen werden. Sie hat vielmehr den Charakter einer Vergünstigung,
welche von dem Vorstande der Strafanstalt nur dann zu beantragen ist, wenn bei
ihm die Ueberzeugung besteht, daß der Gesangene sich gebessert habe und die ihm
durch die vorläufige Entlassung gebotene Gelegenheit zum Wiederbeginn eines
ehrenhaften und gesetzmähigen Lebenswandels nicht mißbrauchen werde.
. 8. 3.
Der Gefangene, welchem hiernach die vorläusige Entlassung zu Theil werden
soll, muß sich während der vorangegangenen Haft der Anstaltsordnung entsprechend
betragen und zugleich in seinem Gesammtverhalten denjenigen Ernst an den Tag
gelegt haben, welcher ald eine Gewähr dafür angesehen werden kann, daß er den
bei der Entlassung gehegten Envartungen entsprechen werde.
Auf den Umstand allein, daß der Gesangene zu disciplinarischen Rügen keinen
Anlaß gegeben hat, darf der Entlassungsantrag niemals gegründet werden. Anderer.
seits werden vereinzelte leichtere Verstöße gegen die Hausordnung, fallo dieselben
nicht auf übeln Willen zurückzuführen sind, bei soust zufriedenstellendem Gesammt=
verhalten den Autrag nicht unbedingt ausschließen dürfen. 6.