Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Dritter Band. (3)

Zehntes Kapitel. 
Kaiser Wilhelm ll. 
Der Kaiser hat in seiner natürlichen Veranlagung von den 
Eigenschaften seiner Vorfahren eine gewisse Mannigfaltigkeit 
zur Mitgift erhalten. Von unserm ersten Könige hat er die 
Prachtlicbe, die Neigung zu einem durch das Costüm gehobnen 
Hosceremoniell bei seierlichen Gelegenheiten, verbunden mit 
einer lebhaften Empfänglichkeit für geschickte Anerkennung. Die 
Selbstherrlichkeit der Zeiten Friedrich's I. ist in ihrer praktischen 
Erscheinung durch den Lauf der Zeiten wesentlich modificirt; 
aber wenn es heut innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten 
läge, so würde mir, glaube ich, als Abschluß meiner politischen 
Laufbahn das Geschick des Grafen Eberhard Danckelmann 
nicht erspart geblieben sein. Ich würde angesichts der Kürze 
der Lebensdauer, auf die ich in meinem Alter überhaupt noch 
zu rechnen habe, einem dramatischen Abschlusse meiner politischen 
Laufbahn nicht aus dem Wege gegangen sein und auch diese 
Ironie des Schicksals mit heitrer Ergebung in Gottes Willen 
ertragen haben. Den Sinn für Humor habe ich auch in den 
ernstesten Lagen des Lebens niemals verloren. 
Gleiche erbliche Anklänge zeigt der Kaiser an Friedrich 
Wilhelm I., zuerst in der Aeußerlichkeit der Vorliebe für „lange 
Kerls"“. Wenn man die Flügeladjutanten des Kaisers unter 
das Maß stellt, so sindet man fast lauter Offiziere von un- 
gewöhnlicher Körperlänge, um 6 Fuß herum und darüber. 
Es ist vorgekommen, daß sich an dem Hoflager im Marmor- 
palais ein unbekannter, hochgewachsener Offizier meldete, Zulaß 
zu Sr. Majestät verlangte und auf Befragen erklärte, er sei
	        
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