Zehntes Kapitel.
Kaiser Wilhelm ll.
Der Kaiser hat in seiner natürlichen Veranlagung von den
Eigenschaften seiner Vorfahren eine gewisse Mannigfaltigkeit
zur Mitgift erhalten. Von unserm ersten Könige hat er die
Prachtlicbe, die Neigung zu einem durch das Costüm gehobnen
Hosceremoniell bei seierlichen Gelegenheiten, verbunden mit
einer lebhaften Empfänglichkeit für geschickte Anerkennung. Die
Selbstherrlichkeit der Zeiten Friedrich's I. ist in ihrer praktischen
Erscheinung durch den Lauf der Zeiten wesentlich modificirt;
aber wenn es heut innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten
läge, so würde mir, glaube ich, als Abschluß meiner politischen
Laufbahn das Geschick des Grafen Eberhard Danckelmann
nicht erspart geblieben sein. Ich würde angesichts der Kürze
der Lebensdauer, auf die ich in meinem Alter überhaupt noch
zu rechnen habe, einem dramatischen Abschlusse meiner politischen
Laufbahn nicht aus dem Wege gegangen sein und auch diese
Ironie des Schicksals mit heitrer Ergebung in Gottes Willen
ertragen haben. Den Sinn für Humor habe ich auch in den
ernstesten Lagen des Lebens niemals verloren.
Gleiche erbliche Anklänge zeigt der Kaiser an Friedrich
Wilhelm I., zuerst in der Aeußerlichkeit der Vorliebe für „lange
Kerls"“. Wenn man die Flügeladjutanten des Kaisers unter
das Maß stellt, so sindet man fast lauter Offiziere von un-
gewöhnlicher Körperlänge, um 6 Fuß herum und darüber.
Es ist vorgekommen, daß sich an dem Hoflager im Marmor-
palais ein unbekannter, hochgewachsener Offizier meldete, Zulaß
zu Sr. Majestät verlangte und auf Befragen erklärte, er sei