Object: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

36 I. 3. Erste Reichstagsverhandlungen und Reichsgesengebung (1871). 
„Die Herren aber gehören zu keinem anderen Staale und Volke als zu dem der Preusiten, 
zu dem ich selbst mich zähse. Ich bestreite den Herren serner das Recht, im Namen der Bevölke- 
rung irgend cines prenßischen Landesteils zu sprechen, welches auch die Sprache dleser Bevölke- 
rung sein mag. Ich will nur daran crinnern, was ich Ihnen früher gründlicher nachgewirsen 
habe, daß Ihre Wähler mit dem, was Sie hier angeblich im Namen der Wähler erltären, nicht 
rinverstanden sind. Ihre Landsleute haben mit demselben Mute und mit derselben Hingebung 
jür die Sache, welche uns hier vereint, gestritten wie die Bewohner jedes anderen Teites von 
Preußen, und Ihre Landslente, die Sie hier vertreten, sind für die Segnungen der preußischen 
Kultur gerade so dankbar wie die Bewohner Schlesiens und anderer Provinzen. Ich bestreile 
Ihnen ferner (wohl schon zum zehnten Male) das Recht, sich auf einen Verirag für Son 
derstellung einzelner Provinzen im preußischen Staat zu berusen. Ich möchte Sie dann auch 
daran erinnern, uns mehr durch das Beispiel Ihrer Duldsamleit, als durch Ihre Worte zu be- 
lehren. Wie hat sich denn die polnische Nation zu der Zeit, wo sic selbständig war, gegen die 
von ihr mit dem Schwert Unterworfenen verhalken?“" Bismarck erinnert an das Blulbad von 
Thorn, 7. Dezember 1724, „wo die polnischen Herrscher es den Dentschen mit blutiger Schrifl 
bewiesen haben, wie sic nationale Sonderbestrebungen zu behandeln entschlossen waren. Fürch- 
ten Sie nicht, daß wir aus diesen geschichtlichen Erinnerungen irgend ein Beifpicl oder eine Em- 
pfindlichleit übernehmen. Die verbündelen Regierungen und insbesondere Ihre Landesregic- 
rung, die königlich preußische, wird fortsahren in den Bestrebungen, die Segnungen des Rechis- 
schutzes und der Gesiliung unker den Dankbaren und Undankbaren zu verbreiten, und gtück 
licherweise sind die Dankbaren in der Mehrheit, auch bei Ihmen.“ 
Nach dem Abgeordneten von Niegolewski ergrisf Bismarck noch einmal das Wort 
zu noch kräftigerer Abwehr der polnischen Anmaßung: 
„Die eitwa zwanzig Herren Abgcordnelen, die sich hier als Volt gedärden, und zwar als 
polnisches Volk, sind wirklich kein Volk, auch verkreten sie kein Volk. Sie haben kein Volt hinter 
sich, Sie haben nichts hinter sich als Ihre Irrtümer und Ihre Täuschungen, und zu denen 
gehört unter anderm, daß Sie von dem polnischen Volle hierher in den Reichslag gewähtl seien, 
um die polnische Nationalität zu vertreten .. . Sie sind gewählt, um die Inleressen der katho- 
tischen Kirche zu vertreten, und wenn Sie das thun, sobald diese Intercssen in Frage kommen, 
so werden Sie Ihre Schuldigleit gegen Ihre Wähler erfüllen: denn dazu sind Sie ehrlich ge- 
wähll, dazu haben Sie das volle Recht; aber hier das polnische Volk oder die poluische Natio- 
nalität zu vertreten, dazu haben Sie das Mandat nicht; ein solches Mandat hat Ihnen kein 
Mensch gegeben, und das Volk m Posen und Westlpreußen am allerwenigsten; es teitt nicht 
die Fiktionen, die Sie verteidigen: dast die polnische Herrschaft gut gewesen wärc, oder nicht 
schlecht, wie der Herr Vorredner sich ausdrückic. Bei aller Unparteilichleit und bei aller Neigung, 
niemals wiederkommen.“ 
Am 14. April ward die Neichsverfassung im Reichstage mit allen gegen 7 Slim- 
men angenommen und am 20. April verkündet. 
Am 19. April brachte die Fortschriltspartei den Antrag auf Zahlung von Diäten 
an die Reichstagsmilglieder ein. Von konservativer Seite wurde ein Gegenankrag 
auf Errichtung eines Staatenhauses gestellt. Der Diätenantrag halte das 
schon im norddeutschen Neichstag herkömmliche Schicksal, vom Neichstag angenommen 
und vom Bundesrat verworfen zu werden. So ist es bis zum heutigen Tage bei jeder
	        
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