Contents: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

146 II. Verfassung. 
Verwaltungsrechts die Entstehung von Rechtsnormen im Weg der 
Gewohnheit ausgeschlossen. Ebenso stünde es mit den Grundsätzen 
der Verfassung über die Abänderung und Aufhebung verfassungs- 
mäßiger Normen im Widerspruch, wenn man eine solche Abänderung 
und Aufhebung durch Gewohnheitsrecht als zulässig anerkennen wollte; 
dagegen ist auch nach Erlassung der Verfassung, namentlich bis die 
sehr allgemeinen und unvollständigen Bestimmungen derselben über 
die finanziellen Rechtsverhältnisse durch das Etatgesetz von 1882 eine 
gesetzliche Fixierung gefunden hatten, die gewohnheitsrechtliche Bildung 
von Rechtssätzen insofern wirksam gewesen, als auf diesem Weg 
manche Lücke des Verfassungsrechts ausgefüllt und eine sichere Praxis 
hinsichtlich der Anwendung unklar gefaßter Verfassungsbestimmungen 
geschaffen wurde.“ Schenkel, Staatsrecht, S 24. 
5. Soweit die §§ 64 und 65 Verf nicht zutreffen, steht die 
Erlassung von Rechtsnormen, welche die Untertanen ebenso binden 
wie die Behörden, dem Großherzog zu. Val Bem 2 zu § 66 Verf. 
6. Ueber das sog Notverordnungsrecht #§ 66 Satz 2 und Bem 3 
dazu. 
8 65 a. 
Das Recht, Gesetze vorzuschlagen, steht dem Großherzog, 
sowie jeder Kammer zu. 
Gesetz vom 21. Dezember 1869, Art 8. 
1. Bis zur Erlassung des Ges vom 21. Dezember 1869 war der 
Volksvertretung nur gestattet, den Vorschlägen der Staatsregierung, 
vorbehaltlich einzelner Abänderungen, die Zustimmung zu gewähren 
oder zu versagen; aus ihrer Mitte selbst konnten aber Entwürfe zu 
neuen Gesetzen nicht hervorgehen. Nur das Recht war eingeräumt, 
durch eine bis zu dem Ges vom 20. Februar 1868 von dem Ein- 
verständnis beider Kammern bedingte Adresse (vgl § 67 Abs 3 d Verf 
in der ursprünglichen Fassung) dem Großherzog die Bitte um die 
Vorlage eines Gesetzes vorzutragen. RegBegr zu dem Ges vom 
21. Dezember 1869, Verh d II. K 1869/70, 4. BeilHeft, S 25. Die 
Ausübung des Rechtes der parlamentarischen Initiative eignet sich 
naturgemäß mehr für solche Gesetze, die, ohne allzu umfangreich 
zu sein, einen gewissen prinzipiellen Standpunkt bezeichnen sollen, der 
Weg der Bitte um Vorlage eines Gesetzes (§ 67 Abs 5 Verf) mehr 
für solche Gesetze, deren Bearbeitung eine genaue Kenntnis der tat- 
sächlichen Verhältnisse und eine sorgfältige Vorbereitung voraussetzt. 
Wielandt, Staatsrecht, S 60, Anm 1.
	        
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