Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
358 Handwerk. VI. Buch. 
  
Nachwuchses und des genossenschaftlichen Zusammenschlusses. Zur wirksamen 
Ourchführung der in dieser Richtung geplanten Reformen sind Zentralstellen für Gewerbe 
und Handel, sog. Landesgewerbeämter, eingerichtet worden. Hessen, Württemberg 
und Baden haben diese Einrichtung schon seit der Mitte des 19. Zahrhunderts, Preußen 
— wie schon erwähnt — seit 1905, Bayern seit 1907. Das Landesgewerbeamt in Preußen 
wurde durch Berordnung vom 20. März 1905 im Ministerium für Handel und Gewerbe 
für die Zwecke der Gewerbeförderung errichtet. Es hat die Aufgabe, an der Uber- 
wachung der zur Gewerbeförderung dienlichen Einrichtungen teilzunehmen und nach 
den verschiedensten Richtungen fördernd, beratend und unterstützend, wie es gerade die 
individuellen und örtlichen Bedürfnisse verlangen, einzugreifen. Es ist ihm ein ständiger 
Beirat angegliedert, der sich u. a. aus Landtagsabgeordneten, Vertretern von Gemeinden, 
Handwerkskammern und Handelskammern, Regierungs- und Gewerberäten, Direktoren 
von Fortbildungsschulen zusammensetzt und den Minister für Handel und Gewerbe von 
den Ansichten und Bestrebungen der Gewerbetreibenden unterrichten soll. Die staatliche 
Gewerbeförderung umfaßt im einzelnen die Förderung des Fortbildungs- und Fachschul- 
wesens sowie die Einrichtung von Meisterkursen, die Förderung der Technik im Gewerbe 
durch Erleichterung der Anwendung von Maschinen aller Art und erprobter Arbeitsweisen, 
die Förderung des gewerblichen Ausstellungswesens und des gewerblichen Genossenschafts- 
wesens. Bis jetzt sind vier ausführliche Berwaltungsberichte des preußischen 
Landesgewerbeamts erschienen. Der letzte (von 1912) kann von einer stetigen Entwick- 
lung des gewerblichen Unterrichts Kenntnis geben; näheres siehe im VIII. Buch, Abschnitt 6: 
„Fach- und Fortbildungsschulen“. Unter dem Titel „Gewerbeförderung“ werden Meister- 
kurse, Gewerbeförderungsanstalten, Ausstellungen von Lehrlingsarbeiten und Unter- 
suchung der Gesellenprüfungen behandelt. „Große Meisterkurse“, die mit Unter- 
stützung des Staates veranstaltet werden und großenteils 8 Wochen dauern, wurden 
1909 und 1910 abgehalten in Hannover, Posen, Köln, Gumbinnen, Dortmund, Magde- 
burg, Breslau und Stettin, zu denen 1912 noch Frankfurt a. M. getreten ist; der Unter- 
richt erstreckt sich auf Fachtheorie, Zeichnen und praktische Arbeiten in neuzeitlich ein- 
gerichteten Werkstätten. Es beteiligten sich 1909 und 1910 daran in 162 Kursen 544 Meister 
und 1000 Gesellen. Der anfängliche Hauptzweck der „großen Meisterkurse“ war, selb- 
ständigen Handwerkern, die während ihrer Lehr- und Gesellenzeit keine Möglichkeit 
zu besserer fachlicher und theoretischer Ausbildung gehabt hatten, einen Ersatz dafür zu 
gewähren, was der heutige handwerkliche Nachwuchs an Fachschulen und gewerblichen 
Fortbildungsschulen lernen kann. DOieser Hauptzweck hat sich in dem abgelaufenen 
Jahrzehnt verschoben, indem die selbständigen Handwerker nur einen verhältnismäßig 
geringen Teil der Besucher bilden, während die Mehrzahl Gesellen sind, die zum Teil 
vor ihrer Selbständigmachung stehen. Dieselbe Erscheinung zeigt sich in den „kleinen 
Meisterkursen“, deren in 1909 und 1910 von Handwerkskammern und Innungen 
1210 mit einer Teilnehmerzahl von 6418 Meistern und 11 821 Gesellen (außer sonstigen 
Personen) abgehalten wurden; dazu kommen noch 70 Meisterkurse an Fachschulen 
(für ältere Handwerker), die von 351 Meistern und 501 Gesellen besucht wurden. Ge- 
werbeförderungsanstalten bestehen in Preußen nur 3, nämlich die Gewerbehalle 
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