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ohne eine sehr wohlwollende Berechnung zugrunde lag und in
welche sicherlich die privaten Aufwendungen des neuen Herrn nicht
mit eingerechnet waren. Es war diesem eine Zivilliste von
jährlich 7 Millionen polnischer Gulden (à 50 Pfennig) eingeräumt
worden, zur Hälfte aus der Staatskasse, zur Hälfte aus den Kron-
gütern zu bestreiten. Von der ersteren Hälfte hat Friedrich August
nie etwas zu sehen bekommen, von der zweiten benutzte er den
größeren Teil für öffentliche Zwecke. Zum erstenmal sah Warschau
und das polnische Volk seinen neuen Herrscher vom 21.—27. Dez.
1807. Er weilte dann noch zweimal dort, vom 30. April 1809
bis 27. Juni 1810 und vom 16. Sept. 1811 bis zum 4. Jan.
1812. Ganz besonders verrät das Verständnis, welches der König
seiner Aufgabe entgegenbrachte, daß er allenthalben für die Hebung
des Schulwesens sorgte. An Dekreten hierfür und an gutem Willen
bei den leitenden Behörden hat es jedenfalls nicht gefehlt, aber
natürlich, namentlich in den damaligen Zeitläuften, an Geld und
an konsequenter Arbeit. Da der Code Napoléon im Herzogtum
als bürgerliches Gesetzbuch eingeführt werden sollte, so machte
sich die Errichtung einer Rechtsschule in Warschau notwendig.
Anm 17. Juli 1807 stattete Napoleon auf der Rückreise von
Tilsit seinen Besuch in Dresden ab; er blieb bis zum 22. Juli,
und auch König Jéröme beehrte am Tage vor der Abreise Napo-
leons den Dresdener Hof. Bei diesem Besuch entfaltete Napoleon
alle die Liebenswürdigkeit, deren er, wenn er wollte, fähig war.
Vor allem gelang es ihm vollkommen, sich des Gemütes seines
königlichen Bundesgenossen in einer man darf wohl sagen: dämo-
nischen Art zu bemächtigen. Je stärker die Charaktergegensätze
von Haus aus waren, um so tiefer und unwiderstehlicher mußte
der „merkwürdige Mann“, wie ihn früher einmal der Kurfürst
genannt hatte, auf dieses schlichte und in engen Anschauungen
entwickelte Gemüt einwirken. Daß die Anwesenheit des Impera-
tors mit Ehrenpforten, Illumination, Festvorstellungen u. dgl.
gefeiert wurde, versteht sich von selbst. Außerdem stiftete der
König einen neuen Orden, den der Rautenkrone, dessen Devise
Providentiae memor dienen sollte „zur Erinnerung an die Zeiten,
wo die Vorsehung zu den Regenten und seiner Staaten Erhaltung