1913 457
Art. 4.
Einen Wohnsitz im Sinne des Einkommensteuergesehes hat ein Deutscher
an dem Ort, an dem er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die auf
die Absicht der dauernden Beibehaltung schließen lassen.
Eine polizeiliche An= und Abmeldung reicht keineswegs ohne weiteres
für die Annahme der Begründung oder der Aufgabe eines Wohnsitzes aus, vielmehr
ist diese letztere Frage rein tatsächlicher Natur und in jedem Einzelfalle lediglich
unter Würdigung der gesamten Sachlage zu entscheiden.
Zur Innehabung einer Wohnung gehört die tatsächliche Herrschaft über die
Wohnung mit dem ausschließlichen Verfügungsrecht über sie. Die Absicht der
dauernden Beibehaltung einer Wohnung setzt das Vorhandensein von Wohn-
räumen voraus, die zu dauerndem Aufenthalt eingerichtet sind und dem Steuer-
pflichtigen für sich und seine Haushaltung eine seinem Stand entsprechende Unter-
kunft gewähren. In letzterer Beziehung richtet sich alles nach den persönlichen
und örtlichen Verhältnissen, nach dem Stand und der Familie, nach der Art und
dem Zwecke der Benutzung der Räume.
Das Innehaben einer Wohnung und die Absicht der dauernden Beibe-
haltung müssen zusammentreffen.
Ein Wohnsitz kann auch begründet werden, wenn die betreffende Wohnung
nur auf kurze Zeit in regelmäßiger, in unregelmäßiger oder in unbestimmter
Wiederkehr — zu Wohnungszwecken benußt wird. Ebenso kann ein früher be-
gründeter Wohnsitz selbst bei dauernder Abwesenheit vom Orte desselben unter
Umständen beibehalten werden.
Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit ist für den steuerlichen Begriff
des Wohnsitzes nicht entscheidend, es können aber die geschäftliche Stellung und
Tätigkeit als Umstäude erachtet werden, die auf die Absicht der dauernden Bei-
behaltung einer Wohnung schließen lassen.
Läßt jedoch ein Ehemann seine Familic an dem bisherigen Wohnsitz in
einer Wohnung zurück, die nichl nur Frau und Kindern allein, sondern auch ihm
selbst eine seinem Stand entsprechende Unterkunft gewährt, so bleibt für ihn
regelmäßig dieser Wohnsitz bestehen, wenngleich er für sich einen zweiten Wohn-
sitz begründet, an dem er seine volle Tätigkeit entfaltet.
Wenn unverheiratete Familienglieder eines hieländischen Hanshaltungs-
vorstandes, die nur der Arbeit wegen in einem anderen Bundesstaate sich aufhalten,
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Zu 8 2.