Full text: Der Bundesrat als Rechtspflegeorgan des Reiches.

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m. E. wohl von einer Präsumtion, nicht aber von der Tat- 
sache sprechen, daß die vom Bundesrat einer Austrägal- 
instanz übertragenen Entscheidungen ipso jure als Erkennt- 
nis des Bundesrats anzusprechen sind. v. Seydel®°) ent- 
nimmt daher mit Recht aus dem Bundesratsbeschluß anläß- 
lich des Streites zwischen Preußen und: Sachsen über die 
Berlin-Dresdener Eisenbahn, daß das austrägalgerichtliche 
Urteil identisch mit einer bundesrätlichen Entscheidung 
wäre: „Der Bundesrat beschloß, die Erledigung dieses 
Streites dadurch herbeizuführen, daß das Oberappellations- 
gericht Lübeck ersucht wurde, einen Schiedsspruch zu 
fällen, und daß beide Regierungen für verpflichtet zu er- 
klären seien, sich diesem Schiedsspruche zu unterwerfen. 
Die Entscheidung vom 28. Juni 1877 wurde vom Bundesrat 
lediglich zur Kenntnis genommen, nicht durch Beschluß be- 
stätigt. Dies hätte geschehen müssen, wenn die von La- 
band verfochtene Ansicht die richtige wäre.“ 
$ 10. 
Wie nun schon oben erwähnt, kann der Bundesrat auch, 
statt den anhängigen Staatenstreit durch eine Austrägal- 
instanz entscheiden zu lassen, eine Entscheidung durch 
eigenen Spruch herbeiführen. Da dieser Spruch des Bundes- 
rats leicht, wenn auch unbeabsichtigt, Ungerechtigkeiten 
enthalten kann, ist dieses Recht des Bundesrats oftmals und 
ganz energisch bestritten. Denn es ist klar, daß für die 
Bundesratsmitglieder — die doch nicht wie die Richter nur 
dem Gesetze unterworfen sind und die ja nur als Vertreter 
ihrer Regierungen urteilen, aber nicht ihre eigene Meinung 
zum Ausdruck bringen — bei der Entscheidung der streiti- 
gen Angelegenheit gar zu leicht politische Gesichtspunkte 
mitmaßgebend sind. Daß also eine Selbstentscheidung des 
Bundesrats leicht große Härten enthalten kann und daher 
6) v. Seydel, Bundesrat S. 17.
	        
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