Full text: Das Gesetz über den Belagerungszustand nebst Abänderungsgesetz unter Berücksichtigung des Bayerischen Gesetzes über den Kriegszustand. (122)

Die einzelnen aufhebbaren Artilel. 107 
strecken haben.“ Dasselbe sagen Haldy S. 59, Olshausen 
(Goltd. Arch. Bd. 61 S. 503), Anschütz (Zeitschr. f. d. ges. Strafr. 
Bd. 36 S. 485); auch Bücher S. 66 und Goldschmidt S. 12 
Anm. 29 scheinen von dieser Ansicht auszugehen, wenn sie die 
Frage der Suspendierbarkeit beim landesrechtlichen Belagerungs- 
zustand erörtern, also die Möglichkeit der Suspendierbarkeit 
beim reichsrechtlichen Kriegszustand voraussetzen. Nikolai S. 31 
schneidet die Frage wohl an, kommt aber nur zu dem Schluß, 
daß die Bestimmungen der St. P. O. über Verhaftungen usw. 
solchen von der Militärbehörde unter dem Kriegszustand im 
standrechtlichen Verfahren verfügten Maßnahmen nicht ent- 
gegenstehen. M. E. ist die obige Frage glatt zu verneinen. Die 
Vorschriften der St. P.O. über Verhaftungen und Beschlag- 
nahmen regeln diese Materie lediglich für die strafprozessualen 
Zwecke, und zwar nicht für alle Strafverfahren, die überhaupt 
schweben können, sondern lediglich für die vor den ordentlichen 
Gerichten schwebenden und zu ihrer Zuständigkelt gehörenden 
Strafsachen. Nun ist aber, wie oben gesagt, der Zweck der Außer- 
kraftsetzung der Verfassungsartikel lediglich eine Verstärkung der 
Macht des Militärbefehlshabers bei Ausübung der vollziehenden 
Gewalt. Die Machtbefugnisse anderer Behörden werden dadurch 
nicht erweitert. Kraft der vollziehenden Gewalt kann aber der 
Militärbefehlshaber nicht in ein Strafverfahren vor den ordent- 
lichen Gerichten eingreifen, da dies der richterlichen Gewalt 
untersteht. Er kann also die ordentlichen Gerichte nicht durch 
eine Anordnung, wie sie die Außerkraftsetzung der Artikel 5 und 6 
ist, von der Einhaltung der erwähnten Vorschriften der St. P. O. 
entbinden. Die Gerichte selbst sind aus eigener Machtvollkommen- 
heit nicht befugt, auch bei einer Außerkraftsetzung der genannten 
Artikel die Anwendung der Bestimmungen der St. P. O. außer 
acht zu lassen. In der Tat wird auch in der Praxis kein ordent- 
liches Gericht jemals daran gedacht haben, in Bezirken, in denen 
die Außerkraftsetzung der Artikel 5 und 6 erfolgt ist, Verhaftungen 
ohne Haftbefehle, Beschlagnahmen ohne die gesetzlichen Voraus- 
setzungen vorzunehmen. Keinem Militärbefehlshaber wird es
	        
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