Full text: Das Gesetz über den Belagerungszustand nebst Abänderungsgesetz unter Berücksichtigung des Bayerischen Gesetzes über den Kriegszustand. (122)

Allgemeine Voraussetzungen der Anwendung des 89. 147 
können nicht nach § 9 bestraft werden. Aus der örtlichen Be- 
grenzung, wie sie das Gesetz gibt, folgt weiterhin eine zeitliche 
Begrenzung: nur während der Dauer des Kriegszustandes 
begangene, gegen §5 9 verstoßende Handlungen sind strafbar. 
Trifft dies aber zu, so werden sie auch nach Aufhebung des Kriegs- 
zustandes unter Zugrundelegung des § 9 abgeurteilt, 3 2 Abs. 2 
St. G. B. fundet keine Anwendung (vgl. hierzu Bem. II 3 zu 
*é15). 
Nicht erforderlich für die Anwendung des § 9 ist, daß, wenn 
der Kaiser den Kriegszustand erklärt, daneben auch noch der 
Belagerungszustand für den Bezirk des Tatortes erklärt wird, 
wie dies ein Landgericht aus dbem Wortlaut des # 9 gefolgert 
hatte: auch für den reichsrechtlichen Kriegszustand ist nur eine 
Erklärung erforderlich, die Erklärung des Kriegszustandes ersetzt 
die des Belagerungszustandes nach preußischem Recht voll- 
ständig (R.G. V vom 16. 4. 1915, D.J.Z. 1915 S. 717, Recht 
1915 S. 282 Nr. 444). Ebensowenig ist aber auch der durch die 
Suspension nach s 5 verschärfte Kriegszustand für die An- 
wendung des # 9 vorauszusetzen. Weder aus dem Gesetz selbst 
noch aus der Pr. Verf. Urk. noch auch aus Art. 68 R. V. ist die 
Notwendigkeit einer vorherigen Suspension der Verfassungs- 
artikel zu folgern (K.G. vom 8. 2. 1915, D.J.Z. 1915 S. 319, 
Recht 1915 S. 350 Nr. 602, Pr. Verw. Bl. Bd. 37 S. 19). 
Bezüglich der Kenntnis der Erklärung des Kriegszustandes 
seitens des Täters gilt dasselbe, was oben Bem. II 2 zu § 8 
von # 4 E. G. St. G. B. gesagt ist: die Kenntnis ist nicht erforder- 
lich; die Erklärung des Kriegszustandes ist lediglich objektives 
Tatbestandsmerkmal. 
2. 5 9 schreibt sich selbst nur subsidiäre Geltung zu: „wenn 
die bestehenden Gesetze keine höhere Freiheitsstrafe bestimmen.“ 
Maßgebend ist dabei, ob das bestehende Gesetz überhaupt eine 
höhere Strafe als ein Jahr Gefängnis zuläßt; es kommt nicht 
darauf an, auf welche Strafe im Einzelfall zu erkennen ist; 
ebenso ist es gleichgültig, ob das bestehende Gesetz neben der 
höheren Gefängnisstrafe auch wahlweise Geldstrafe androht. 
10“
	        
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