Full text: Das Gesetz über den Belagerungszustand nebst Abänderungsgesetz unter Berücksichtigung des Bayerischen Gesetzes über den Kriegszustand. (122)

Organe der Erklärung des Kriegszustandes. 31 
daß das Recht zur Erklärung des Kr. Zust. auf das innigste mit 
dem kaiserlichen Oberbefehl verknüpft sei. 
Gegen diese Lehre lassen sich aber erhebliche Bedenken 
geltend machen, die auch in der Literatur erhoben sind, so von 
Meyer (Annalen 1880 S. 347 ff.), Leoni S. 50, Bücher S. 38 ff., 
Nikolai S. 52ff. und neuerdings von Olshausen (Goltd. Arch. 
Bd. 61 S. 496) und Goldschmidt S. 3ff. Es erscheint zunächst 
nicht einleuchtend, inwiefern die Landesgesetze durch Art. 68 
R. Verf. beseitigt sein sollen, und inwiefern die Befugnis des 
Kaisers aus Art. 68 eine ausschließliche sein soll. Weder Wortlaut 
noch Sinn dieser Bestimmung stehen der insbesondere von Meyer 
(#. a. O.) und Bücher (S. 38) vertretenen Auffassung entgegen, 
daß die Landesgesetze fortbestehen, solange nicht eine ausdrück- 
liche Aufhebung erfolgt ist. 
Was nun den ersten Punkt der Ansicht Labands und die 
Haenels anbetrifft, so erscheint es durchaus zweifelhaft, ob der 
Kr. Zust. bzw. Bel. Zust. eine rein militärische Einrichtung 
und das Recht zur Erklärung desselben ein Ausfluß des kaiser- 
lichen Oberbefehls ist. Laband (a. a. O. S. 40 bzw. 43) gibt selbst 
zu, daß „die dem Kaiser in Art. 68 R. Verf. eingeräumte Macht- 
vollkommenheit weit über die Grenzen hinausreicht, die dem 
Militärbefehl an sich gezogen sind.“ Damit entzieht er aber 
m. E. seiner eigenen Lehre einen Stützpfeiler. Eine juristische 
Konstruktion, die einem Recht größere Befugnisse zuweist, als 
seine gesetzliche Grundlage gestattet, erscheint wohl nicht recht 
haltbar; jedenfalls nötigt sie dazu, auch noch nach anderen Quellen 
Umschau zu halten, die diese Vergrößerung rechtfertigen. Aber 
auch die Begründung Labands beruht allzusehr auf Außerlich- 
keiten, auf die ausschlaggebendes Gewicht zu legen gerade 
bei der Reichsverfassung nicht so angebracht ist wie bei unseren 
großen Gesetzbüchern des Privatrechts, die auf einer jahrelangen 
Durcharbeitung beruhen. Die Stellung des Art. 68 R. Verf. 
und der Gebrauch des Wortes „Bundesfeldherr“ in der ur- 
sprünglichen Fassung hängen wohl lediglich damit zusammen, 
daß man nur an den weitaus häufigeren Fall der Verhängung
	        
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