Full text: Gesetzes- und Verordnungs-Blatt für das Großherzogtum Baden. Jahrgang 1906. (38)

64 VI. 
g 35 
Wenn das Vorhandensein der in § 34 Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungen wenigstens 
wahrscheinlich erscheint, so kann das Bezirksamt, vorbehaltlich des Widerrufs, eine Aufhebung 
oder Beschränkung der zum Vollzug der Zwangserziehung getroffenen Maßnahmen verfügen. 
Hierbei ist besondere Vorsorge dafür zu treffen, daß der Widerruf, sofern die Verhältnisse 
einen solchen erfordern, alsbald ausgesprochen und wirksam gemacht werden kann. 
g 36. 
Die Bezirksämter dürfen sich durch die Annahme der Aussichtslosigkeit weiterer Zwangs- 
erziehungsmaßregeln niemals dazu bestimmen lassen, ihre Bestrebungen zur Erreichung des 
Zweckes der Zwangserziehung einzustellen. Sollte in einem Einzelfalle jede Aussicht auf 
Erreichung dieses Zweckes ausgeschlossen und aus besonderen Gründen die Unterbringung in 
einer Anstalt oder in einer Familie als undurchführbar erscheinen, so ist im Instanzenzuge 
Vorlage an das Ministerium des Innern zu erstatten. 
§ 37. 
Wird von jemandem, dem die Sorge für die Person des Minderjährigen zusteht oder 
zustehen würde, wenn die Zwangserziehung nicht angeordnet wäre, die Aufhebung der Zwangs- 
erziehung beantragt, so finden auf das gerichtliche Verfahren, sowie auf das Beschwerderecht 
die §§ 6 bis 9 dieser Verordnung in Verbindung mit den §§ 2 bis 4 des Gesetzes ent- 
sprechende Anwendung. 
In Fällen der Familienerziehung wird das Vormundschaftsgericht auch den Gemeinde- 
waisenrat hören. 
§ 38. 
Der Entlassung aus der Zwangserziehung, mag sie endgültig geschehen oder nur eine 
beschränkte sein, soll jeweils die Ausmittlung eines gesicherten Unterkommens für den Zögling, 
entsprechend seinen persönlichen Verhältnissen und seiner bisherigen Beschäftigungsweise, 
vorhergehen. 
Diese Ausmittlung liegt in denjenigen Fällen, in welchen nicht die Eltern oder vormund- 
schaftlichen Vertreter die volle Gewähr für eine angemessene Fürsorge bieten und zu dieser 
Fürsorge sich auch bereit finden, — unter Leitung und Aufsicht des Bezirksamts — dem 
nach § 11 mit der Ausführung der Zwangserziehung betrauten Armenverbande oder Vereine ob. 
Von der Entlassung und von dem künftigen Unterkommen des Zöglings ist dem Vor- 
mundschaftsgerichte sowis dem Bürgermeisteramt am Orte des Unterkommens durch das Bezirks- 
amt Kenntnis zu geben. Auch hat das Bezirksamt durch Vermittlung des Bürgermeisters, 
des Ortsgeistlichen oder anderer geeigneter Personen am neuen Aufenthaltsorte beziehungsweise 
der daselbst etwa bestehenden wohltätigen oder gemeinnützigen Vereine das weitere Fortkommen 
des Entlassenen tunlichst zu fördern und über das Verhalten desselben in nächster Zeit in 
schonlicher Weise, nötigenfalls nur durch Erhebung von Strafregisterauszügen, sich noch in 
Kenntnis zu erhalten.
	        
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