Full text: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern. 1874. (1)

Beil. I. 3 
den obersten Gerichtshof und stellte unter Darlegung des Sachverhaltes die Bitte, oberstrichterlich 
in der Sache Entscheidung zu treffen. 
Das Landgericht Naila eröffnete, nachdem diese Eingabe demselben am selben Tage war 
vorgelegt worden, den beiden Streitstheilen, sowie dem Bezirksamte Naila eine 30ktägige Frist 
zur Einreichung von Denkschriften. 
Es kam jedoch von keiner Seite eine Denkschrift ein. Am 5. November 1873 wurden 
die beim Landgerichte Naila erwachsenen Acten und am 13. ej. die bezirksamtlichen Acten dem 
k. Generalstaatsanwalt in Vorlage gebracht. 
Heute kam die Sache zum Aufrufe. 
Von Seiten der Parteien hatte sich der richtig erfolgten Ladung ungeachtet, Niemand eingefunden. 
Der zum Berichterstatter ernannte Rath Braun trug den Sachverhalt vor, wobei die 
wichtigeren Actenstücke verlesen wurden. 
Der k. Generalstaatsanwalt stellte motivirten Antrag dahin, auszusprechen, daß in dieser 
Sache die Gerichte zuständig seien. 
Diesem Antrage war auch stattzugeben und zwar aus folgenden 
Gründen: 
Der Art. 5 des Gesetzes über öffentliche Armen= und Krankenpflege vom 29. April 1869 
bestimmt in seinem 2. Absatze, daß die zur Alimentation oder Unterstützung eines Hilfsbedürf- 
tigen Verpflichteten für die in Folge der Nichterfüllung ihrer Verbindlichkeiten norhwendig ge- 
wordene öffentliche Armenunterstützung Ersatz leisten sollen, und im Abs. 3 daselbst, daß zur 
Geltendmachung eines solchen Ersatzanspruches diejenige Armenpflege oder öffentliche Cassa be- 
rechtigt sei, welche den Aufwand für die Unterstützung bestritten hat. 
Bei Einbringung des Entwurfes zu diesem Gesetze wurde in den Erläuterungen zu dem 
betreffenden Artikel (damals Art. 4) gesagt, es müsse hier erwogen werden, daß eine hilfsbe- 
dürftige Person in der Regel nicht so lange im hilflosen Zustande belassen werden kann, bis 
die civilrechtliche Unterstützungsverbindlichkeit Dritter im Prozeßwege festgestellt und die gericht- 
liche Nöthigung zur Hilfsvollstreckung eingetreten und durchgeführt ist. cf. Abth. I. der Ver- 
handl. des bes. Aussch. d. K. d. A. v. 186⅝%9 S. 85 u. 93. 
Es ist somit schon in der Erläuterung zum Gesetzentwurf die Ansicht der k. Staatsre- 
gierung dahin ausgesprochen worden, daß, wenn sich Streitigkelten über die Ersatzpflicht alimen- 
tationspflichtiger Verwandten der von den Armenpflegen Unterstützten erheben, diese vor den Ge- 
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