Schriftwechsel zwischen Kaiser Karl und Seiner Majestät Kaiser Wilhelm 379
müssen wir — noch rechtzeitig — unsere letzte Karte ausspielen und jene
äußersten Propositionen machen, die ich im früheren angedeutet habe.
Euer Majestät haben den Beweis erbracht, daß Sie nicht egoistisch
denken und dem deutschen Bundesgenossen kein Opfer zumuten, welches
Euer Majestät nicht Selbst zu tragen bereit wären. Mehr kann niemand
verlangen.
Gott und Ihren Völkern aber sind es Euer Majestät schuldig, alles zu
versuchen, um die Katastrophe eines Zusammenbruches der Monarchie zu
verhindern; vor Gott und Ihren Völkern haben Euer Majestät die heilige
Pflicht, das dynastische Prinzip und Ihren Thron zu verteidigen mit allen
Mitteln und bis zu Ihrem letzten Atemzug.
In tiefster Ehrfurcht
Wien, am 12. April 1917. gez. Czernin.
Berlin, Mai 1917.
Ankwort Kaiser Wilhelms.
Mein lieber Freund! Das Mir gütigst übersandte Exposé des Grafen
Czernin hat Mich veranlaßt, von Meinem Reichskanzler eine Außerung zu
den verschiedenen darin berührten Fragen einzufordern. Ich darf Dir den
Bericht Herrn v. Bethmann Hollwegs anbei zur Verfügung stellen.
Ich halte dafür, daß der Bericht die Gesamtlage richtig darstellt. Unsere
Erfolge an der Westfront und zur See bestärken noch Meine Zuversicht auf
ein glückliches Endergebnis.
Die wachsenden Schwierigkeiten der langen Kriegsdauer verkenne Ich
nicht und verschließe auch nicht die Augen vor möglichen Rückwirkungen
der russischen Revolution. Ich glaube aber, daß auch in dieser Beziehung
die Verhältnisse bei den seinerzeit von ihren Feinden überfallenen und auf
den Schlachtfeldern siegreichen Zentralmächten anders liegen wie bei Ruß-
land, dessen jetzt beseitigte Regierung im August 1914 den Krieg vom
Zaune brach und dem Unsere Heere schwere und empfindliche Niederlagen
beigebracht haben.
Uns könnte gerade ein Friede, der Unseren Ländern große Opfer auf-
erlegt — wegen der damit verbundenen Depression in unserem ganzen
Wirtschafts= und Erwerbsleben im Zusammenhang mit der ja nicht gleich
bei Friedensschluß behobenen allgemeinen Lebensmittelknappheit —, Ge-
fahren für Unsere Monarchien in sich bergen.
Ich gebe Mich der Hoffnung hin, daß Du den Anschauungen bei-
pflichten wirst, die Mich in bezug auf Krieg und Frieden erfüllen.
In treuer Freundschaft bin Ich Dein stets ergebener
gez. Wilhelm.