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nach den allgemeinen Vorschriften des Reichsgerichts-Verfassungsgesetzes und der Reichs-
Strafprozeß-Ordnung zu richten.
Demnach behaupte in der vorliegenden Strafsache für den Richter auch der §. 260
der Strafprozeß = Ordnung seine Geltung, so daß das Gericht über das Ergebniß der
Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriffe der Verhandlung geschöpften Ueber-
zeugung zu entscheiden habe.
Hätte das Erbschaftssteuergesetz von dieser Regel eine Ausnahme gestatten und den
Richter in dem bezeichneten Punkte an die Vorentscheidung einer anderen Behörde binden
wollen, so würde eine solche Ausnahmsbestimmung im Gesetze einen klaren Ausdruck und
nach der gesetzgeberischen Anordnung der behandelten Materie eben im Art. 44 haben Platz
finden müssen.
Wern sich der Vertreter der Finanzbehörde auf die Verhandlungen der Reichstags-
kommission über den Entwurf einer Strafprozeß-Ordnung berufe und zwar auf Verhand-
lungen, welche Seite 701 und 702 der Kommissions-Protokolle —
Hahn's „Materialien zur Strafprozeß-Ordnung“
Abth. 1 S. 1125 und 1126 — enthalten sind, so sei zu erwägen, daß diese Erörterungen
von Seiten der Kommission die Entscheidung der Gerichte in Fällen der Steuerhinter=
ziehung gar nicht beträfen und aus ihnen nur das Ergebniß zu folgern sei, daß durch die
das Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher
Abgaben und Gefälle betreffenden Bestimmungen
— §§. 386—394 des Entwurfes, §§. 459—469 des Gesetzes —
die bisher bestandenen landesrechtlichen Garantien für richtige Entscheidung von Streitfragen
im Verwaltungswege nicht zu Verlust gehen sollten.
Auch die Motive zu den soeben angeführten Bestimmungen des Gesetzentwurfes ließen
erkennen, daß die ganze Angelegenheit, sobald auf gerichtliche Entscheidung angetragen
werde, ohne weitere Aussonderung den Gerichten überwiesen sei, und da nach den Motiven
zu den §§. 390 und 391 des Entwurfes —
§§. 464 und 466 des Gesetzes — Hahn a. a. O. S. 290 —
auch der Staatsanwaltschaft nicht zugemuthet werde, sich einfach der Ansicht der Verwaltungs-
behörde unterzuordnen, so erscheine eine solche Unterordnung in der wichtigsten Frage um
so weniger dem Gerichte auferlegt.