Beil. IV. 35
die Steuer= oder Abgabenpflicht zu urtheilen, und daß die Gerichte, wenn im Laufe des
Strafverfahrens diese Pflicht bestritten werde, hierüber vorerst den Ausspruch der Ver-
waltungsbehörde abzuwarten hätten, habe auch §. 459 ff. der Strafprozeß-Ordnung Nichts
geändert.
Denn indem die §§. 459 ff. die Strafurtheile wegen Hinterziehung öffentlicher
Abgaben den Gerichten zuwiesen, wurden hiedurch die Zuständigkeitsgrenzen zwischen den
Gerichten und den Verwaltungsbehörden hinsichtlich der — mit der Strafbarkeitsfrage
keineswegs identischen — Entscheidung über die Abgabenpflicht nicht verrückt.
Bestätigt werde diese Auffassung durch den Inhalt der in Protokollen der Reichstags-
kommission — S. 701 und 702 — verzeichneten Verhandlungen, — welche schon erwähnt
wurden und sich im Allgemeinen auf das Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die
Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle beziehen — Buch 6
Abschnitt 3 der Strafprozeß-Ordnung.
Aus diesen Verhandlungen im Zusammenhalte mit §. 6 Ziff. 3 des Einf.-Ges. zur
Strafprozeß-Ordnung sei das zuverläßige Ergebniß zu folgern, daß die landesrechtlich geord-
nete Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte zur Entscheidung von
Streitigkeiten über die Pflicht zur Entrichtung öffentlicher Abgaben und Gefälle durch die
Strafprozeß-Ordnung nicht geändert, sondern in ihrem ganzen Umfange aufrecht erhalten
werden sollte.
Hätte man den Gerichten neben der Strafgewalt auch die Entscheidung über die
Steuerpflicht selbst da übertragen wollen, wo ihnen dieselbe bisher nicht zustand, so wäre
dieses als eine Ausnahme von dem im Gerichtsverfassungs-Gesetze aufgestellten Grundsatze,
daß die Thätigkeit der Gerichte auf Sachen zu beschränken sei, welche nicht durch die
Landesgesetze den Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten überwiesen sind, viel
deutlicher auszusprechen gewesen.
Nach dem Wortlaute des Gesetzes gehöre nur der Einspruch gegen den administrativen
Strafbescheid vor die Gerichte, und blos das, worüber in diesem Strafbescheide wirklich
habe entschieden werden können, dürften die letzteren in ihren Bereich ziehen.
Die in dem Urtheile der landgerichtlichen Strafkammer in Bezug genommene Stelle
der Motive zu den §§. 390 und 391 des Entwurfes der Strafprozeßordnung
(§§. 464 und 466 des Gesetzes — Hahn a. a. O. Seite 290),