Full text: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern. 1883. (10)

Beil. IV. 43 
Unterlassung abhängig erscheint, ist insoweit, als es sich um die Erlassung eines gericht— 
lichen Strafurtheiles handelt, kein Gegenstand der verwaltungsamtlichen Beurthei- 
lung, sondern gehört dem eigensten Gebiete des Strafrichters selbst dann an, wenn jene 
Voraussetzung dem Verwaltungsrechte entnommen ist. 
Der §. 261 der Strafprozeß-Ordnung bildet überhaupt nur eine spezielle Anwendung 
des allgemeinen Grundsatzes, daß das Urtheil des Strafrichters an sich, sowie im Ver- 
hältnisse zu den Entscheidungen anderer Behörden ein unabhängiges sein soll, und die 
Motive zu der berührten Gesetzesstelle — §. 221 des Entwurfes — erkennen den ge- 
dachten Grundsatz vorbehaltlos durch die Bemerkung an, daß der Strafrichter, welcher 
über die Strafbarkeit einer Handlung befinden muß, auch alle einzelnen Voraussetzungen 
dieser Strafbarkeit zu erörtern und festzustellen habe. 
Vergl. Hahn a. a. O. Abth. I S. 201. 
Diese gesetzgeberische Auffassung hat überdieß in §. 260 der Strafprozeß--Ordnung in 
Bezug auf die thatsächliche, sowie in §. 263 in Bezug auf die thatsächliche und recht- 
liche Beurtheilung einer Strafsache noch insoferne Ausdruck gefunden, als daselbst dem 
Strafrichter in beiden Beziehungen die volle Freiheit und Selbstständigkeit des Urtheiles 
gewahrt wird. · 
Auch der für die Ansicht der Verwaltung hervorgehobene §. 11 des Einführungs- 
Gesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze thut der Anwendung der besagten prozeßrechtlichen 
Grundsätze auf die vorliegende Angelegenheit keinen Eintrag, sondern bestätigt vielmehr 
deren Geltung für alle Fälle, in welchen nicht durch eine ausdrückliche Bestimmung 
die Vorentscheidung einer besonderen Behörde für zulässig erklärt ist. 
Führen nun weder die gesetzlichen Vorschriften über das verwaltungsamtliche Verfahren 
noch die prozeßrechtlichen Bestimmungen zu dem Ergebnisse, daß der Strafrichter bei seinem 
Urtheile hinsichtlich der Annahme der Steuerpflicht an eine administrative Vorentscheidung 
sich zu halten hat, so muß auch noch die Frage untersucht werden, ob nicht der Inhalt 
der in dem Erbschaftssteuer-Gesetze aufgestellten strafrechtlichen Satzungen der Art ist, 
daß der Strafrichter bei ihrer Anwendung durch deren Fassung genöthigt wird, die für 
den einzelnen Fall auf dem Verwaltungswege getroffene und die Pflicht zur Steuer- 
entrichtung begründende Entscheidung bei der Verhängung einer Strafe als maßgebend 
anzuerkennen.
	        
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