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begründung angegeben werden. Dabei ist zu
unterscheiden, ob sich die Revision auf eine Ver-
letzung des Strafrechts oder auf eine Verletzung
der Rechtsnormen über das Strafverfahren stützt,
indem letzterenfalls die den Mangel enthaltenden
Tatsachen zu bezeichnen sind, während ersteren-
falls eine allgemein gehaltene Angabe genügt.
Die Hauptverhandlung in der Revisionsinstanz
untersteht weder dem Prinzip der Unmittelbarkeit
noch den Regeln für die Beweisaufnahme; die
Entscheidung ergeht auf den Vortrag eines aus
den Richtern bestellten Berichterstatters nach An-
hörung des Vertreters der Staatsanwaltschaft so-
wie des anwesenden Angeklagten und seines Ver-
teidigers. In Strafsachen kann die Einlegung des
Rechtsmittels nicht nur von dem Angeklagten,
sondern zu dessen Gunsten oder Ungunsten auch
von der Staatsanwaltschaft eingelegt werden.
Das von dem Angeklagten eingelegte Rechtsmittel
kann nur zu seinem Vorteil ausschlagen, weil in
diesem Fall die Abänderung der Entscheidung zu
seinen Ungunsten (reformatio in peius) verboten
ist. Die Beschränkung der Berufung auf die Ur-
teile der Schöffengerichte im deutschen Strafver=
fahren hat zu einer Agitation auf deren Zulassung
auch gegen die Urteile der Strafkammer geführt,
welche nicht zur Ruhe gekommen ist, wenn sie auch
zeitweise minder lebhaft hervortritt. Anlaß zu den
Klagen gaben die wiederholt wahrgenommenen
Mängel in den tatsächlichen Feststellungen der
Strafkammern. Diesen läßt sich nur abhelfen durch
ein neues Verfahren, in dem die stattgehabte Ver-
handlung unter Ausdehnung der Beweisaufnahme
auf etwa neu vorgebrachte Behauptungen und Be-
weismittel (ius novorum) wiederholt wird. Eine
weitere Ausdehnung der Voruntersuchung behufs
sorgfältigerer Vorbereitung der Beweisaufnahme
sowie eine Erweiterung der Rechte der Verteidigung
wird gegen den Irrtum der Richter in der Beweis-
aufnahme und der Beweiswürdigung keinen aus-
reichenden Schutz gewähren. Voraussetzung für
die Einführung der Berufung ist allerdings eine
Gestaltung des Berufungsverfahrens, welche die
Wiederholung der Beweisaufnahme sichert; denn
in dem Strafverfahren ist die Zuverlässigkeit der
Urteilsfällung mehr wie im Zivilverfahren durch
die Unmittelbarkeit der Verhandlung bedingt. Eine
mittelbare Wirkung der Einführung der Berufung
würde eine Entlastung des Reichsgerichts von Re-
visionen sein, die dringend geboten ist. Dem deut-
schen Reichstag liegt der Entwurf einer Straf-
prozeßordnung vor, welcher die Berufung enthält.
Als Ersatzmittel der Berufung war bei deren
Beseitigung gegen die Urteile der Strafkammern
neben andern Bürgschaften gegen Fehlurteile die
Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil
geschlossenen Verfahrens zugunsten des Angeklagten
gedacht. Sie ist zu dem Zweck einer Abänderung
der Entscheidung über die Schuld-, nicht auch über
die Straffrage aus bestimmten Gründen sowohl
dem Verurteilten wie zu dessen Gunsten auch der
Rechtsmittel.
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Staatsanwaltschaft gegeben. Sie ist an keine Zeit
gebunden und sowohl nach der Strafvollstreckung
wie auch nach dem Tod des Angeklagten zulässig.
Der abgelehnte Antrag kann sogar wiederholt
werden. Zuständig zur Entscheidung über den
Antrag, der in der Form der Revisionsschrift ein-
gereicht werden muß, ist das Gericht, dessen Urteil
angefochten wird. Der im Wiederaufnahmever-
fahren freigesprochene Angeklagte hat im Deutschen
Reich einen Anspruch auf Ersatz des durch die
Strafvollstreckung ihm erwachsenen Vermögens-
schadens, der jedoch ausgeschlossen ist, wenn er die
frühere Verurteilung vorsätzlich oder durch grobe
Fahrlässigkeit verschuldet hat.
4. Im Verwaltungsrecht. In Angelegen-
heiten der öffentlichen Verwaltung ist das regel-
mäßige Rechtsmittel die Beschwerde an die höhere
Behörde. Diese ist in den einzelnen deutschen
Staaten verschieden geregelt. In Preußen ist sie,
soweit nicht ein anderes Rechtsmittel eingeführt
ist, in allen Verwaltungssachen gegeben und weder
an eine Form noch an eine Frist gebunden. Die
höhere Behörde kann auf sie hin die Verfügungen
der unteren Behörde aufheben oder abändern.
Durch die sog. Selbstverwaltungsgesetze ist für die
in diesen geregelten Materien das Beschluß= oder
das Streitverfahren eingeführt. Für die nicht in
ihnen geregelten Materien ist die Beschwerde das
einzige Rechtsmittel. Sie ist dies auch für das
Beschlußverfahren. Das Streitverfahren ist nach
Analogie des Zivilprozeßverfahrens gestaltet, so
daß sich die für dieses dargestellten Rechtsmittel
hier wiederholen. Die Rechtsmittel stehen regel-
mäßig nur demjenigen zu, der durch eine Ver-
waltungshandlung unmittelbar verletzt worden ist,
doch ist in gewissen Fällen eine Popularklage ge-
geben. Die Frist zur Einlegung der Rechtsmittel
beträgt in der Regel zwei Wochen. Bezüglich der
Beschwerde kann die angerufene Behörde in Fällen
unverschuldeter Fristversäumnis Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand gewähren. Die Rechts-
mittel haben in der Regel aufschiebende Wirkung.
Gegen die im Beschlußverfahren ergehenden Ver-
fügungen findet regelmäßig die einfache Beschwerde
statt, deren Erledigung jedoch die Anrufung des
Ministers nicht ausschließt. Die Beschwerde ist
bei der Behörde anzubringen, gegen deren Beschluß
sie gerichtet ist. Aus Gründen des öffentlichen
Interesses steht sie auch dem Vorsitzenden der Be-
hörden zu, der den Beschluß seiner Behörde mittels
Klage beim Oberverwaltungsgericht anzufechten
hat. Bei polizeilichen Verfügungen ist dem Ver-
letzten ein zweisacher Weg der Anfechtung dar-
geboten. Er kann, soweit nicht ein anderes be-
stimmt ist, entweder gleich die Klage beim Ober-
verwaltungsgericht oder zunächst die Beschwerde
und erst auf den letztinstanzlichen Bescheid über die
Beschwerde die Klage erheben. Die Klage kann
aber nur darauf gestützt werden, daß der angefoch-
tene Bescheid auf der Nichtanwendung oder der
unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts