Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Nebersicht der politischen Entwichelung des Jabres 1902. 361 
beteiligten, so feierten doch gegen 200 000 Arbeiter (Mai). In 
den folgenden Wochen mußten viele Hochöfen wegen Kohlen- 
mangel die Arbeit einstellen, trotzdem blieb der Trust fest; die Hitze 
steigerte sich mit dem Kampfe auf beiden Seiten, die Streikenden 
übten einen brutalen Terrorismus aus gegen die Arbeitswilligen 
und an vielen Stellen kam es zu blutigen Kämpfen mit den 
Milizen. Die öffentliche Meinung nahm überwiegend für die 
Arbeiter Partei und endlich mischte sich der Präsident Roosevelt 
in den Kampf ein und appellierte in Besprechungen mit Ver- 
tretern der Parteien an ihren Patriotismus, weil der Kohlen- 
mangel zu industriellen Krisen zu führen drohe. Anfangs lehnten 
zwar die Arbeitgeber jedes Nachgeben ab und namentlich ver- 
warfen sie jede Anerkennung der gewerkschaftlichen Organisation, 
schließlich aber fügten sie sich dem Druck der öffentlichen Meinung 
und versprachen, den Spruch eines von Roosevelt einzusetzenden 
Schiedsgerichts annehmen zu wollen. Damit ließen sie die grund- 
sätzliche Verwerfung der gewerkschaftlichen Organisation fallen, und 
der Streik hatte nach fünfmonatiger Dauer ein Ende. 
In Mittel= und Süd-Amerika sind außer der Vene- 
zuelafrage wie gewöhnlich mehrere Bürgerkriege zu verzeichnen. 
Wichtiger als diese ist die definitive Beendigung des Streites 
zwischen Argentinien und Chile, die beide den Schiedsspruch des 
Königs von England anerkannt haben. 
über Afrika ist noch nachzutragen, daß in Abessinien 
England und Frankreich einen lebhaften Kampf um den vor- 
herrschenden Einfluß auf den Negus Menelik führen. Augenblick- 
lich scheint England durch den egyptisch-abessinischen Vertrag einen 
Vorsprung erhalten zu haben. In Egypten hat England durch 
den Ausbau der Wasserwerke bei Assauan ein bedeutendes Werk 
zur Hebung der Landeskultur vollendet. Die Erhebungen moham- 
medanischer Fanatiker sind zwar unbequem, scheinen aber nur ge- 
ringe Kräfte hinter sich zu haben. 
In China hat der Hof wieder Besitz von der Regierungs- 
gewalt ergriffen und sogleich mehrere Reformdekrete erlassen. 
Mehrere von den Mächten besetzte Punkte, wie Tientsin und 
Schanghai, sind wieder geräumt worden, wobei es anscheinend
	        
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