-- 265 --
§ 91.
Der Disziplinarhof besteht aus 11 Mitgliedern, von denen wenigstens vier
zu den Bevollmächtigten zum Bundesrate, der Präsident und wenigstens fünf
zu den Mitgliedern des Reichsgerichts gehören müssen.
Die mündliche Verhandlung und Entscheidung in den einzelnen Disziplinar-
sachen erfolgt durch sieben Mitglieder. Der Vorsitzende und wenigstens drei
Beisitzer müssen zu den richterlichen Mitgliedern gehören.
§ 92.
Die Geschäftsordnung bei den Disziplinarbehörden, insbesondere die Be-
fugnisse des Präsidenten und die Reihenfolge, in welcher die richterlichen Mit-
glieder an den einzelnen Sitzungen teilzunehmen haben, wird durch ein Regulativ
geordnet, welches der Disziplinarhof zu entwerfen und dem Bundesrate zur Be-
stätigung einzureichen hat.
§ 93.
Die Mitglieder der Disziplinarkammern und des Disziplinarhofs werden
für die Dauer der zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Reichs- oder
Staatsämter vom Bundesrate gewählt, vom Kaiser ernannt, und für die Er-
füllung der Obliegenheiten ihres Amtes verpflichtet.
§ 94
In der Voruntersuchung wird der Angeschuldigte unter Mitteilung der
Anschuldigungspunkte vorgeladen und der Beamte der Staatsanwaltschaft zu-
gezogen. Dieselben werden, wenn sie erscheinen, mit ihren Erklärungen und
Anträgen gehört. Die Zeugen werden, nach Befinden eidlich, vernommen und
die sonstigen Beweise erhoben. Den Vernehmungen der Zeugen darf weder der
Beamte der Staatsanwaltschaft noch der Angeschuldigte beiwohnen.
Die Verhaftung, vorläufige Festnahme oder Vorführung des Ange-
schuldigten ist unzulässig.
§ 95.
Über jede Untersuchungshandlung ist durch einen vereideten Protokollführer
ein Protokoll aufzunehmen. Den vernommenen Personen ist ihre Aussage un-
mittelbar nach der Protokollierung vorzulesen, um denselben Gelegenheit zur
Berichtigung und Ergänzung zu geben.
§ 96.
Wenn der Voruntersuchungsbeamte die Voruntersuchung für geschlossen
erachtet, so teilt er die Akten dem Beamten der Staatsanwaltschaft mit. Hält
dieser eine Ergänzung der Voruntersuchung für erforderlich, so hat er dieselbe
bei dem Voruntersuchungsbeamten zu beantragen, welcher, wenn er entgegen-
gesetzter Ansicht ist, die Entscheidung der obersten Reichsbehörde einzuholen hat.