Beil. III. 15
Zum domaine public des französischen Rechtes gehören vor Allem die für den öffent-
lichen Gebrauch bestimmten öffentlichen Wege, insbesondere die zum sogenannten großen
Straßenwesen (grande voirie) zählenden Staatsstraßen (routes nationales, routes à la
charge de I’Etat).
Art. 538 Code civil.
Es war also nur eine aus den erwähnten Grundsätzen des französischen Staatsrechtes
sich von selbst ergebende Folge, wenn die Organe der Verwaltung in Frankreich als zur
Ausmittelung und Festsetzung streitiger oder zweifelhafter Grenzen der Staatsstraßen aus-
schließlich berechtigt erachtet wurden.
Diese Befugniß der Administrativbehörden findet aber überdies in der französischen Gesetz-
gebung noch besondere positive Stützpunkte. Das Gesetz vom 19./22. Juli 1791, Tit. 1
Art. 29 — auch in der Pfalz publizirt, Rudler IX, 82 — hat alle älteren Verordnungen
in Bezug auf das Straßenwesen aufrechterhalten. Schon nach diesem älteren Rechte war
das Recht der Abgrenzung des öffentlichen Eigenthums und die Entscheidung der Streitig-
keiten, welche sich in Bezug auf das Verfügungsrecht über Bestandtheile des öffentlichen
Eigenthums und alter Wege anläßlich der Richtungsänderung oder eines Eingriffes ergaben,
nicht den gewöhnlichen Gerichten übertragen, sondern in die Hände besonderer administrativer
Kommissionen und der k. Intendanten gelegt.
Dareste, a. a. O. S. 257 und 143 Anm. 2.
Im Anschlusse an diese ältere Gesetzgebung wurde, nachdem das oben citirte Gesetz
vom 22. Dezember 1789 die Sorge für Erhaltung der Wege überhaupt den Behörden der
Departementalverwaltung (den Präfekten) überwiesen und das Dekret vom 12. August 1790,
Kap. VI, ausgesprochen hatte, daß die Unterhaltung und Herstellung der Wege einen der
Hauptgegenstände der Aufsicht der Verwaltungsbehörden bilde, durch das Dekret vom
7./11. September 1790 Art. 6 die „Verwaltung“ in Bezug auf das „große“ Straßen-
wesen ausdrücklich den Administrativbehörden, die hierauf bezügliche Strafpolizei dagegen den
Gerichten übertragen.
Hiemit sollten alle nicht in das Gebiet des Strasrechts fallenden Angelegenheiten und
Streitigkeiten in Bezug auf das große Straßenwesen, ausgedrückt mit dem Worte „admini-
stration“, der Kompetenz der Verwaltungsbehörden zugetheilt werden.
Auf dieser gesetzlichen Grundlage hat die Rechtsprechung in Frankreich und in der
Pfalz in Uebereinstimmung mit der Doktrin das Recht der Verwaltungsbehörden zur selb-
ständigen und uneingeschränkten Festsetzung der Grenzen der öffeutlichen Straßen, Flüsse,
Kanäle u. s. w., insbesondere auch der Staatsstraßen, bis in die neueste Zeit anerkannt.
Andererseits wurde dagegen die Zuständigkeit der Gerichte allgemein in jenen Fällen
für begründet erachtet, wenn sich Jemand durch den Abgrenzungsakt der Verwaltung in
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