III. Buch. Das Strafrecht. 39
bei gegenseitiger völliger Unabhängigkeit, entstandenen österreichischen Entwurf der
gegenwärtig der Beschlußfassung im Herrenhause unterliegt, sehr ähnlich.
Seine hauptsächlichen Zugeständnisse an die moderne Schule sind folgende:
1. Vereinfachung des Strafenspftems. Es soll nur noch drei Strafarten geben,
Zuchthaus, Gefängnis und Haft (§§ 15 ff.);
2. Erweiterung der Anwendung der Geldstrafe und Erleichterung ihrer Entrichtung
(§3& 30 ff. und die einzelnen Strafdrohungen im besonderen Teil);
S. Einführung der sog. bedingten Verurteilung, im Entwurf „bedingte Straf--
aussetzung“ genannt (§§ 38—41). Die Hauptgrundzüge sind: Keine Vorbe-
strafung mit Freiheitsstrafe, keine schwerere Strafe als höchstens 6 Monate
Gefängnis oder Haft, Würdigkeit des Verurteilten. Berücksichtigt sollen haupt-
sächlich Ougendliche werden ohne grundsätzlichen Ausschluß der Erwachsenen;
wird der Verurteilte bis zum Ablauf der Bewährungsfrist wegen Verbrechens
oder eines vorsätzlichen Vergehen von neuem zu Freiheitsstrafe verurteilt, so
fällt die Vergünstigung in der Regel weg7), hat er ohne neue Verurteilung sich
schlecht geführt, so ordnet das Gericht den Wegfall an. Wichtig ist, daß also nicht
nur eine neue Bestrafung, sondern auch schlechte Führung des Berurteilten zur
Entziehung der Vergünstigung und nachträglichen Vollstreckung der Strafe führt.
Gelangt diese demgemäß nicht zum Vollzuge, so gilt sie mit dem Ablauf der Frist
als erlassen;
4. Einführung einer Anzahl sogenannter „sichernder Maßnahmen“, die teils neben,
teils statt der Strafe eintreten können. Diese sichernden Maßnahmen sind:
a) Unterbringung in ein Arbeitshaus. Diese soll nicht mehr, wie im bis-
herigen Recht eine Rebenstrafe, sondern eine Maßregel zur Sicherung der
Gesellschaft vor dem Arbeitsscheuen und zugleich zu dessen Besserung und
nicht mehr auf einzelne Ubertretungen und die „Zuhälterei“ beschränkt,
sondern „in den im Gesetz besonders bestimmten Fällen“ anwendbar sein,
zu denen nach den Vorschlägen im Besonderen Teil unter anderen auch
Diebstahl und andere Verbrechen gegen das Eigentum, Kuppelei, Mädchen-
handel und gewerbsmäßiges Glückspiel gehören, immer unter der Voraus-
setzung, daß die strafbare Handlung auf Liederlichkeit oder Arbeitsscheu
zurückzuführen ist. Geringfügige Fälle (in denen nicht eine mindestens
vierwöchige Gefängnis- oder Haftstrafe verwirkt ist) sind ausgenommen:;
die Maßregel wird nicht mehr von der Landespolizeibehörde, sondern von
dem erkennenden Gericht verhängt, das nach geltendem Recht nur deren
Zulässigkeit auszusprechen hat (§ 42);
b) Wirtshausverbot, wenn eine strafbare Handlung auf Trunkenheit zurück-
zuführen ist; wenn dabei Trunksucht des Täters festgestellt ist, Unterbringung
in eine Trinkerheilanstalt. Geringfügige Fälle sind auch hier ausgenommen
(645);
1) Abgesehen von geringfügigen Fällen, in denen das Gecicht entscheidet.
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