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der größten Vorsicht nicht hätte vermieden werden können. Es nahm weiter an, daß ein
grobes Verschulden darin liege, daß der Hengst trotz seiner besonderen Bösartigkeit nicht
sofort und insbesondere nicht vor dem Beginne der Deckperiode ausgemustert wurde. Ob
dieses Verschulden der Landgestütsverwaltung oder der Gestütsinspektion in Ansbach zur
Last falle, sei gleichgiltig, da in dem einen wie in dem anderen Falle der Beklagte für den
dem Kläger entstandenen Schaden zu haften habe. Es könne daher unermittelt bleiben, ob
der Landstallmeister die Ausmusterung des Hengstes bei der Gestütsverwaltung in München
angeregt hat oder nicht. Falls er es that und sein Antrag nicht berücksichtigt wurde, würde
das Verschulden den Vorstand der Landgestütsverwaltung treffen; falls er es nicht that,
würde es ihm zur Last fallen. Nach den eigenen Angaben des Landstallmeisters sei ihm
die Bösartigkeit des Hengstes schon vor dem 8. März 1887 bekannt gewesen; jedenfalls
sei er schon wenige Tage nach der Ankunft des Hengstes in Gunzenhausen über die Schwierigkeit
und Gefährlichkeit der Behandlung des Hengstes unterrichtet gewesen. Es habe auch zu
seinen Dienstesobliegenheiten gehört, sich von den Eigenschaften der zur Gestütsinspektion
gehörigen Beschälhengste genau Kenntniß zu verschaffen; es komme daher nicht darauf an,
ob der Kläger ihm Anzeige von der Bösartigkeit des Hengstes erstattet hat. Schon die
Unterlassung der eigenen Nachforschung würde als ein grobes Verschulden des Landstallmeisters
zu erachten sein. Hienach stehe unter allen Umständen fest, daß sich ein Beamter des Land-
gestüts, der verfassungsmäßig zu selbstständigem Handeln für die Gestütsverwaltung oder
die Gestütsinspektion berufen war und als ein diese Behörden und damit auch den Fiskus
repräsentirendes Willensorgan zu erachten ist, innerhalb des ihm zugewiesenen Geschäftskreises
einer als culpa lata zu bezeichnenden Unterlassung schuldig gemacht hat. Daraus ergebe
sich die Verpflichtung des Fiskus, den Kläger für den durch die Unterlassung entstandenen
Schaden zu entschädigen. Dem Antrage des Beklagten, im Falle der Verurtheilung des
Fiskus in der Urtheilsformel festzustellen, welcher Beamte die schuldhafte Handlung oder
Unterlassung begangen hat, zu entsprechen, bestehe kein Anlaß; eine solche Feststellung sei
in diesem Verfahren bei dem Mangel der erforderlichen thatsächlichen Grundlage auch un-
möglich und, da die in Frage kommenden Beamten rechtlich nicht gehört sind, unzulässig.
Im Uebrigen weist das Urtheil den von dem Beklagten bei der neuerlichen Verhandlung
der Sache erhobenen Einwand, daß der Anspruch des Klägers verjährt sei, als unbegründet
zurück und führt aus, daß die Höhe der verlangten Entschädigung nicht bemängelt und als
angemessen zu erachten sei.
Gegen dieses Urtheil legte der Rechtsanwalt Geheimer Hofrath Dr. Pemsel in München
Namens des K. Fiskus mit einem Schriftsatze vom 5. März 1901, der am 6. dieses
Monats bei dem Obersten Landesgerichte einging, die Revision ein. Dieses Gericht erklärte
sich am 11. März für zuständig, über die Revision zu verhandeln und zu entscheiden.
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