16
Mit einem Schreiben vom 20. März erklärte die K. Regierung von Mittelfranken,
Kammer der Finanzen, daß sie gemäß dem Art. 10 des Gesetzes vom 18. August 1879,
betreffend die Entscheidung der Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und den Ver-
waltungsbehörden oder dem Verwaltungsgerichtshofe, den Kompetenzkonflikt erhebe. In dem
Urtheile des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 28. Januar 1901 werde die Ersatzpflicht des
Fiskus damit begründet, daß der Unfall dadurch herbeigeführt worden sei, daß sich ein
Beamter des Landgestüts, der verfassungsmäßig zu selbstständigem Handeln für die Gestüts-
verwaltung oder die Gestütsinspektion berufen war und als ein diese Behörden und damit
auch den Fiskus repräsentirendes Willensorgan zu erachten ist, innerhalb des ihm zu-
gewiesenen Geschäftskreises einer als culpa lata zu bezeichnenden Unterlassung schuldig
gemacht hat. Für diese Feststellung sei das Oberlandesgericht wie überhaupt ein Gericht
nicht zuständig. Nach dem seit dem 1. Januar 1901 geltenden Art. 165 Ziff. I des
Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche sei der Verwaltungsgerichtshof berufen,
in den Fällen, in welchen der Staat wegen des Schadens in Anspruch genommen werden
soll, den ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorsätzlich
oder fahrlässig einem Dritten zugefügt hat, die Vorentscheidung darüber zu treffen, ob der
Beamte sich einer Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder der Unterlassung einer ihm
obliegenden Amtshandlung schuldig gemacht hat. Die Vorentscheidung sei nach Art. 165
Ziff. I Abs. 2 a. a. O. für das Gericht bindend. Solange die Vorentscheidung nicht
ergangen ist, seien daher die Gerichte nicht zuständig, über die Haftung des Staats zu
entscheiden. Der Rechtsweg sei deßhalb vorläufig für unzulässig zu erachten.
Nachdem die Parteien von der Erhebung des Kompetenzkonflikts benachrichtigt worden
waren, wurden die Akten an die Gerichtsschreiberei des Landgerichts Ansbach zurückgesendet.
Am 26. April reichte der Rechtsanwalt Justizrath Bayer in Ansbach bei diesem Gerichte
für den Kläger eine Denkschrift ein. In dieser wird beantragt, die Erhebung des Kom-
petenzkonflikts für unzulässig oder die Gerichte für die Entscheidung der Frage des
Verschuldens für zuständig zu erklären. Der Antrag ist folgendermaßen begründet: Die
Erhebung des Kompetenzkonflikts sei nach Art. 8 Abs. 2 des Gesetzes vom 18. August 1879
ausgeschlossen, weil eine rechtskräftige Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs in
dem Urtheile des Obersten Landesgerichts vom 11 April 1900 vorliege. Die Zuständigkeit
des Verwaltungogerichteshofs könne überdies nicht auf den Art. 165 Ziff. I des Aus-
führungegesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche gestützt werden, weil der Rechtsstreit schon vor
dem Inkrafttreten dieser Bestimmung anhängig wurde. Der Kläger sei vor der Erhebung
der Klage gar nicht in der Lage gewesen, den Verwaltungsgerichtshof anzugehen; der Beklagte
habe auch in keiner Instanz die Zulässigkeit des Rechtswegs bestritten Die Parteien seien
vielmehr darüber einig gewesen, daß der Rechtsweg zulässig sei und daß die zur Zeit der