Full text: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern. 1907. (34)

Nr. 55. 647 
in den Stand setzt, sich durch regelmäßige Arbeit seinen Unterhalt zu verdienen. Die Ge- 
sundheitspflege in den Strafanstalten (s. Kap. VI §§ 35 bis 43) ist daher schon aus 
diesem Grunde eine wichtige Aufgabe der Strafvollstreckung. 
II. Ist ein Gefangener nicht gesund, so soll auf seinen Zustand jede Rücksicht genommen 
werden, die mit den Zwecken der Strafvollstreckung und der Aufrechterhaltung der Ordnung 
und Disziplin in Einklang gebracht werden kann. 
13. 
I. Die Zwecke der Strafvollstreckung können nicht erreicht werden, wenn nicht bei der 
Behandlung der Gefangenen auf die Gesamtheit der persönlichen Eigenschaften des einzelnen 
Gefangenen Bedacht genommen wird (Individualisierung). 
II. Es gehört zu den besonderen Obliegenheiten des Vorstandes, für die richtige in- 
dividualisierende Behandlung der Gefangenen zu sorgen. 
III. Alsbald nach der Zuteilung (§ 4) hat der Vorstand in der Beamtenkonferenz 
mitzuteilen, was über den Lebenslauf des Gefangenen bekannt ist, worin die strafbare Hand- 
lung bestand, wegen deren er verurteilt wurde, und welche Anhaltspunkte sonst noch für die 
Beurteilung seiner Persönlichkeit vorliegen, also insbesondere, welche Erziehung er genossen 
hat, welche Bildung er besitzt und über was für Kenntnisse und Fertigkeiten er verfügt. 
Gibt der Stand der körperlichen oder geistigen Gesundheit des Gefangenen zu einer Be- 
merkung Anlaß, so hat sich der Hausarzt in der Konferenz zu äußern. 
IV. Sobald der Gefangene selbst oder einkommende Mitteilungen weitere Anhaltspunkte 
ür seine Beurteilung liefern, hat sich die Konferenz aufs neue mit seiner Charakterisierung 
zu beschäftigen. Die Anregung hierzu kann von jedem Mitglied der Konferenz ausgehen. 
V. Nach den Ergebnissen der Feststellung der Individualität des Gefangenen bemißt 
sich seine Behandlung in der Strafanstalt. 
VI. Gefangene, bei denen die individualisierende Behandlung besonders angezeigt ist, 
sind in Einzelhaft zu nehmen. Bei der individualisierenden Behandlung Gefangener in der 
Gemeinschaftshaft ist sorgfältig darüber zu wachen, daß diese Behandlung bei den anderen 
Gefangenen nicht den Anschein einer Bevorzugung erweckt. 
VII. Die individualisierende Behandlung vollzieht sich hauptsächlich in der Art, 
daß bei der Zuteilung von Arbeit — und zwar von Art und Maß — in einer dem 
Bildungsgrade, den Kenntnissen und der allgemeinen Leistungsfähigkeit des Gefangenen 
möglichst angemessenen Weise verfahren wird, 
daß in Ernährung und Kleidung die durch die Gesundheitsverhältnisse des Gefangenen 
gebotenen Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen zugelassen werden, soweit sie im 
Rahmen der Hausordnung und der Kostordnungen ausführbar sind,
	        
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