B. Die auswärtige Politik Österreich-Ungarns 269
günstige Gelegenheiten zur Machtentfaltung auszunützen, wie den Rus-
sisch-Japanischen Krieg. Sie hat es — man wäre beinahe gencigt zu
sagen — versäumt, das osmanische Reich gegen die kleinen Vasallen
zu schützen. Sic hatte den Balkan den Balkanvölkern überlassen und
nur die äußersten Notwendigkeiten ihrer Stellung verteidigt. Sic hat
nichts für sich begehrt und erhalten als den Besitz zweier Probinzen,
der ihr von Rußland angeboten, von Europa schier aufgedrängt worden
war. Und das erst, nachdem sie dreißig Jahre um denselben hatte dienen
müssen! Aber all diese Zurückhaltung hat ihr nichts genützt. In dem
Augenblicke, da sie den Mut hatte, Sühne für ein unerhörtes Ver-
brechen zu fordern, da fielen ihre Gegner über sic her und wollten sie
für das einzige Verbrechen strafen, das sie begangen hatte: für ihre
Existenz.
Die Nichterin der Geschehnisse, die Geschichte, wird die Aufgabe un-
parteilicher Beurteilung in künftigen ruhigeren Zeiten besorgen. Sie wird
feststellen: man könne der österreichisch-ungarischen Politik manchmal
allzu kühle Reserve und Vorsicht vorwerfen, nie aber Kriegslust und
RNaufpbegierde. Dafür wird man die beste Erklärung in einem Ausspruche
des allverehrten Kaisers Franz Josef finden können: „Österreich-Un-
garn kann nie einen Angriffskrieg führen, es muß warten, bis es an-
gegriffen wird!“